ERSTES KAPITEL
NEUNZEHNHUNDERTNEUNUNDACHTZIG
ALS DER KAPITALISMUS ÜBRIGBLIEB
Im Herbst 1989 war ich 15 Jahre alt, geboren in Schwerin, in Frankfurt an der Oder aufgewachsen. Mein Vater war Berufspendler, weshalb unsere Familie im Sommer 1988 schließlich nach Berlin umgezogen ist. Geistig damals ganz ein Kind der DDR, nahm ich die Verhältnisse, in die ich hineingeboren worden war, als gegeben. Ich wuchs auf in die Gewissheit, dass der Sozialismus dem Kapitalismus »gesetzmäßig überlegen« sei. Irritationen dieser Gewissheit durch die Wirklichkeit, soweit ich sie in meiner Kindheit und frühen Jugend wahrgenommen habe, sah ich nicht als Verfallserscheinungen eines sich auflösenden Systems. Sie waren für mich Ausdruck der Beschwernisse eines langen Wegs, der noch vor uns lag. Außerdem war ja da auch noch der feindliche Westen, der immer verlässlich seinen Teil beitrug, um die Lösung der gesellschaftlichen Herausforderungen zu torpedieren.
Mein Weltbild war orthodox und binär. Richtig und falsch, gut und schlecht waren klar definiert. Kinder brauchen vielleicht solch klare, überschaubare Weltbilder. Das begann