Kapitel 1
Eine Leiche vor dem Frühstück
»Euer Exzellenz?« Sanft klopfte Klaas Heiland an die geschlossene Zimmertür. Dann berührte er die Klinke. »Sind Sie wach?«
Jenseits der Schwelle herrschte seliges Dreivierteldunkel. Es war früh am Tag, gerade einmal sieben Uhr morgens, und das Licht der nur langsam aufgehenden Sonne schaffte es bislang kaum durch die dicken Vorhänge vor dem Fenster.
Dennoch konnte Heiland sich mühelos orientieren. Sicheren Schrittes betrat er den Raum und warf dem Mann im Bett einen schnellen Blick zu. Weihbischof Franz Frömmchen regte noch keinen Muskel unter seiner dicken Bettdecke.
»Verzeihen Sie die Störung, Exzellenz«, entschuldigte sich der Pastor. Dabei trat er auf das Fenster zu, das in der gegenüberliegenden Wand lag und zum Pfarrhausgarten wies. »Aber es ist Zeit für unser Frühstück, und Sie baten ja ausdrücklich darum, geweckt zu werden.«
Heiland hatte das Fenster erreicht, griff mit beiden Händen nach den Vorhangbahnen und zog sie ruckartig zur Seite. Endlich wurde es heller.
Frömmchen schien sich auch daran nicht zu stören. Gäbe es Preise für festen Schlaf, hätte er wohl auch Dornröschen mühelos übertroffen.
»Exzellenz?«, fragte Heiland erneut. »Es ist sieben Uhr und Fräulein Dimpel bereitet gerade Ihren Kaffee zu – ganz so, wie Sie ihn mögen. Wie sagten Sie noch gleich? Stark wie Samson und süß wie Delila.«
Nun drehte er sich zum Bett um. Die Gestalt unter der blau-weißen Rautendecke hatte sich nach wie vor nicht bewegt. Franz Frömmchens klappriger Leib lag unter den Daunen verborgen, sein weißhaariges Haupt neben dem Kopfkissen. Er hatte die Augen fest geschlossen, den Mund aber einen Spalt weit geöffnet und …
Heiland stutzte. Irgendetwas an Frömmchen kam ihm seltsam vor. Im Schlaf sah der Weihbischof anders aus als am Tage, oder? Anders und irgendwie … leer.
Weil er nicht schläft, zuckte es Heiland durch den Kopf. Guck ihn dir an. Du kennst diese Gesichter. So sehen keine lebenden Menschen aus.
Unsinn! Sofort tadelte er sich für den törichten Gedanken. Was war denn in ihn gefahren, dass er sich solch schreckliche Bilder ausmalte? Der Weihbischof hatte einen sehr gesegneten Schlaf, weiter nichts. Nur weil jemand nicht gleich reagierte, lag noch lange keine Tragödie vor.
»Euer Exzellenz?«, fragte Heiland erneut. Langsam trat er an das Bett. »Ich bin es, Pastor Heiland. Können Sie mich hören?«
Grundgütiger, wie weckte man einen solchen Würdenträger? Durfte man Weihbischöfe an den Schultern packen und schütteln? Frömmchen hatte ausdrücklich darum gebeten, pünktlich geweckt zu werden. Er würde es Heiland gewiss nicht übel nehmen, oder? Höchstens, wenn man ihnnicht aus den Federn riss.
»Exzellenz?«, fragte Heiland schon wieder.
Dann beugte er sich vor, griff sanft nach den Schultern des alten Mannes und …
Frömmchens Kopf drehte sich zur Seite, kaum dass Heiland die Schultern anfasste. Seine Muskeln leisteten keinen Widerstand. Nicht sein Leib reagierte auf die Berührung, sondern nur die Schwerkraft.
Nein! Heiland keuchte. Entsetzt riss er die Augen auf. Das kann nicht wahr sein. Das … Das darf nicht wahr sein!
Wieder schüttelte er den Weihbischof. »Exzellenz! Herr Frömmchen, hören Sie mich?«
Alle seine Sinne bestätigten ihm, was sein Instinkt ihn schon eben hatte vermuten lassen. Und doch wollte Heiland es nicht wahrhaben.
»Herr Frömmchen?«, fragte, nein, rief er laut. »Herr Frömmchen!«
Die Gestalt im Bett reagierte nich