1. Kapitel
Die Sonne und das Geschrei der Möwen weckte sie. Im Halbschlaf tastete Dee über das Laken des Bettes auf der Suche nach dem Männerkörper, in dessen Armen sie wieder eingeschlafen war. Nichts. Nur ein Rest Wärme, der zeigte, wo er bis vor Kurzem gelegen hatte.
Gähnend setzte sie sich auf. Sie brauchte eine Weile, um sich in der fremden Umgebung zurechtzufinden. Das war das Haus von Jamies Großvater in Kynance Cove. Sie befand sich im großen Schlafzimmer im Obergeschoss mit Blick auf die kleine Kiesbucht, die sie nur mit den paar Fischkuttern teilen mussten, die immer noch jeden Tag aufs Meer hinausfuhren. Dem Sonnenstand nach zu urteilen, musste es bereits später Vormittag sein.
Vom Bett aus konnte sie über den kleinen Garten bis hinunter zum Meer schauen, das von kahlen, grauen Felsen gesäumt wurde. Ein nackter, blonder Mann rannte über die grauen Steine, warf sich mit einem eleganten Kopfsprung in die Fluten und verschwand. Jamie.
Dee schauderte unwillkürlich. Sie hatte gestern Abend die Wellen über ihre nackten Füße spülen lassen. Das Wasser war eiskalt gewesen. Angenehm für die Füße nach der zweistündigen Fahrt auf dem Antigravbike in den engen Stiefeln und der schweren Schutzkombi. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie das tatsächlich getan hatte. Die Landschaft war in irrwitziger Geschwindigkeit an ihnen vorbei gezogen. Ohne das beruhigende Gefühl von Jamies Körper vor sich hätte sie die ganze Fahrt nur vor Angst geschrien.
Sein Kopf tauchte wieder auf. Mit kräftigen, weit ausholenden Bewegungen kraulte er durch die Wellen hinaus in die kleine Bucht. Leichtes Unwohlsein befiel Dee. Die Strömung da draußen musste tückisch sein. Doch er würde es wissen. Er war hier groß geworden und sicherlich machte er das schon, seit er schwimmen konnte. Wenn er bis zu diesem Tag nicht ertrunken war, war die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt etwas passierte, außerordentlich gering.
Sie trat ans Fenster, um ihn besser beobachten zu können. Genoss einmal mehr den Ausblick, der ihr immer wieder den Atem raubte – so schön war er. Als sie Jamie nicht mehr sehen konnte, wollte sie sich losreißen, um hinunter in die Küche zu gehen. Doch eine Bewegung oberhalb der Felsen ließ sie innehalten.
Dee beschattete ihre Augen. Versteckte sich da jemand?
Nichts.
Sie musste sich getäuscht haben. Der Traum fiel ihr ein und ließ sie unwillkürlich frösteln. Kein Wunder, wenn sie Gespenster sah.
Die alte Holztreppe knarrte unter ihren Schritten. Die Terrassentür stand weit offen. Die ersten Sonnenstrahlen erreichten die kleine, gekieste Terrasse, auf der Gartenmöbel aus Holz zum Verweilen einluden.
Sie setzte Kaffee auf, schenkte sich einen Becher ein und trat hinaus auf die Terrasse. Eine schwarz-weiße Katze kam über den Rasen auf sie zu, maunzte einmal und strich um Dees Beine. »Hallo«, begrüßte sie das Tier. Die Katze schnurrte, als sie sie streichelte. Nach einer Weile verschwand sie wieder.
Derweil war Jamies Kopf wieder aufgetaucht und strebte dem Ufer zu. Sie hatte die Tasse halb geleert, als er den Strand erreichte. Er winkte ihr zu und rannte die Bootsrampe hinauf. Bevor er im Garten anlangte, setzte sie die Tasse auf dem Holztisch ab. Sein keuchender Atem näherte sich. Dann war er bei ihr.
Nackt und nass, wie er war, warf er die Arme um sie und zog sie an sich heran. Er war so kalt, das