1. KAPITEL
An Sandors Seite betrat Ellie das exklusive Bostoner Restaurant. Sie genoss es, den klimatisierten Raum zu betreten. Denn die Sommer in Boston waren schwül und heiß. Die plötzliche Kühle sandte Schauer über ihre nackten Arme, und ihre Brustknospen verhärteten sich.
Mittlerweile empfand sie diese Reaktion ihres Körpers als sinnliches Vergnügen, das sich regelmäßig in Sandors Nähe einstellte.
Angefangen hatte es schon bei ihrer ersten Begegnung, und seither weckte jedes Beisammensein mit diesem Mann die erstaunlichsten Gefühle in ihr. Das zwang Ellie, sich mit einer Seite ihrer Persönlichkeit auseinanderzusetzen, die sie normalerweise ignorierte: ihre Weiblichkeit. Für ihn zog sie sexy Kleidung an und genoss die kleinen feinen Berührungen, die ihren Treffen ein besonderes Prickeln verliehen.
Heute trug sie ein Kleid von Armani, elegant und sexy zugleich. Ärmellos und rückenfrei betonte es ihr Dekolleté, bedeckte jedoch sehr züchtig die Knie. Die schwarze Seide schmiegte sich verführerisch an ihren Körper. Von der Stelle an ihrem Rücken, die Sandor mit der Hand berührte, ging ein aufregendes Kribbeln aus.
Ellie musste sich sehr darauf konzentrieren, dass er und die anderen Gäste im Restaurant ihren inneren Aufruhr nicht bemerkten. Insgeheim wünschte sie sich Zeit mit ihm allein. An einem Ort, wo sie den Mut aufbringen würde, ihn endlich zu fragen, warum er sie zwar mit leidenschaftlichen Gutenachtküssen bedachte, aber nicht mehr begehrte.
Manchmal fragte sie sich, was er eigentlich von ihr wollte.
Sie war in die Welt hineingeboren worden, deren Schwelle er nur durch harte Arbeit erreicht hatte. Aber mehr konnte sie ihm nach ihrer eigenen Einschätzung nicht bieten. Mit einer Größe von fast einem Meter achtzig, einer eher knabenhaften Figur, durchschnittlichen Zügen und langweiligen dunkelblonden Haaren war sie keine herausragende Schönheit. Sie tat wenig, um die Kontakte zu pflegen, für die andere töten würden. Sie verabscheute geradezu die Begleiterscheinungen, die Reichtum mit sich brachte. Ihre Arbeit als staatliche Arbeitsvermittlerin war nicht einmal ansatzweise glamourös zu nennen. Ihre Klienten würden es nie auf eine Who’s-Who-Liste schaffen – und sie selbst auch nicht. Zumindest nicht mehr.
Ihr Vater hielt ihre Berufswahl für eine komplette Verschwendung ihrer Ausbildung an der Ivy League, einem Zusammenschluss der acht ältesten Eliteuniversitäten des Landes. Doch das kümmerte Ellie nicht. Im Gegenzug empfand sie nämlich seine Fixierung auf den Konzern ebenfalls als komplett überzogen. Nicht, dass sie seine Firma als belanglos abtun wollte, aber sie hasste die Tatsache, dass dieses Unternehmen immer vor ihr, vor allen und vor allem anderen kam und kommen würde.
Dermaître d’hôtel blieb vor dem Tisch stehen, an dem sie immer saßen, wenn Sandor sie hierher einlud. Der Standort des Tisches entsprach natürlich der gesellschaftlichen Stellung des Mannes an ihrer Seite. So etwas würde ihr Vater als selbstverständlich ansehen. Das Leuchten in Sandors braunen Augen jedoch verriet, wie viel ihm gerade diese kleinen Dinge bedeuteten.
Noch ein Grund, warum sie nicht wirklich zueinanderpassten. Denn diese Dinge beeindruckten Ellie überhaupt nicht, vielleicht, weil sie in diesem Umfeld aufgewachsen war. Wenn einer ihrer Klienten einen Job bekam, freute sie das weitaus mehr als ein Essen in einem exklusiven Restaurant.
Trotzdem nahm sie jede von Sandors Einladungen an. Sie war geradezu bezaubert von diesem Mann. Warum er sie allerdings immer wieder ausführte, verstand sie nicht. Vor allem, weil er nicht mit ihr ins Bett wollte.
Sandor rückte den Stuhl für sie zurecht. Ellie betrachtete es als Zeichen seines griechischen Erbes … oder seiner besitzergreifenden Art. Und doch waren es genau diese kleinen Details, wegen der sie sich als etwas Besonderes fühlte.
Zugleich betonten sie eine bestimmte Seite seines Charakters. Nicht er beugte sich den Regeln der Welt, sondern forderte, dass die Welt ihn zu seinen Bedingungen akzeptierte. Außerdem fühlte sie sich mit ihren vierundzwanzig Jahren in seiner Gegenwart zum ersten Mal richtig lebendig.
Sie beobachtete, wie er trotz seiner einsfünfundneunzig mit der Geschmeidigkeit einer großen Raubkatze auf dem Stuhl ihr gegenüber Platz nahm. Dunkles, leicht welliges und ein wenig zu langes schwarzes Haar umrahmte seine ausgeprägten Gesichtszüge, die sie Tag und Nacht ansehen könnte. Unter dem Dinnerjackett zeichnete sich ein musku