: Christine Poppe
: Von dem Versuch, mich selbst zu zähmen, und dem Mut, es sein zu lassen Wie wir Rollenbilder überwinden und authentisch Beziehung leben
: SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
: 9783417010022
: 1
: CHF 11.00
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: Lebensführung, Persönliche Entwicklung
: German
: 176
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Vielleicht geht es Ihnen wie Tina, die in ihren 30ern schon eine Scheidung hinter sich hat. Das ist für viele traditionelle Christen einfach nicht mit dem Glauben zu vereinbaren. Vielleicht bekommen Sie von allen Seiten Moralpredigten oder erfahren Ablehnung. In diesem Buch ermutigt die Autorin dazu, sich einen Weg durch den Schmerz zu bahnen und sich von Gott zeigen zu lassen, was eigentlich seine Vorstellungen sind. Sind Sie bereit für einen Prozess des Herzens, durch den Sie Ihre Glaubensfundamente neu aufbauen dürfen? Tina ist eine Frau in den 30ern, kreativ, voller Elan, hat Mann und Kind. Und sie liebt Gott. Erst auf den zweiten Blick merkt man: Ihre Biografie hat einen Bruch. Ihr Mann ist nicht ihr erster. Nach junger Ehe und Scheidung hat sie ihre Vorstellung stark ändern müssen: darüber, wer Gott ist und wie er sich das mit Mann und Frau gedacht hat. Es hat sie viel gekostet, Schmerz vor allem. Aber auch Mut, sich mit ihrem Gottesbild auseinanderzusetzen. Und Kraft, sich eigenen Veränderungsprozessen zu stellen. In ihrem Buch ermutigt sie Menschen hinzusehen, warum der Lebens- und Glaubensplan nicht aufging. Und motiviert zu eigenen konkreten Schritten - hin zu dem Gott, der menschenfreundlich ist.

Christine Poppe (Jg. 1989) lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter im Großraum Hannover und befindet sich in der Ausbildung zur Trauma sensiblen Coachin. Als Kind mit Migrationshintergrund ist sie in einer Gemeinde mit sehr engen moralischen Vorstellungen aufgewachsen aus denen sie sich immer mehr herausschälte und zu einem Glauben an einen Gott fand, der sie hält ohne sie einzuengen. Auf Alltagsfreuden.com und ihrem Instagram teilt sie ihr Leben und ihren Glauben mit Menschen, denen es ähnlich geht. In ihrer Freizeit liest sie gern, macht Yoga, bloggt auf Alltagsfreuden.com und genießt die Zeit mit ihrer kleinen Familie und guten Freunden.

1.  Kann sich ein Mensch ändern?


»Jetzt mal ganz ehrlich. Können Sie mir sagen, ich meine … ist es möglich, dass ein Mensch sich ändert?«

Mein Blick durchbohrte Camila, die christliche Beraterin, die mir gegenübersaß. Ich wollte es wirklich wissen. Alles hing davon ab.

Ich saß auf einem bequemen Sessel gegenüber dieser gelassenen und freundlichen Frau mit spanischem Akzent, die mir scheinbar wirklich helfen wollte. Und dabei so lebenslustig und unbekümmert wirkte. Wie konnte sie das nur sein? Ich fühlte mich gerade so gar nicht nach Leben.

Ihr Blick war offen, und sie schien meine Situation auf eine angenehme Weise nicht allzu ernst zu nehmen. Ich fragte mich, wie sie es schaffte, so locker und gelassen zu sein. So lebendig. Ihre kurzen, schwarzen Haare wirkten irgendwie frech, und wenn sie lachte, warf sie den Kopf zurück, und ihre Augen leuchteten. Wenn es ernster wurde, sah sie mich an mit einem Blick, der sagte: »Ja, ich verstehe. Das macht absolut Sinn, dass du so fühlst«, ohne dass sie dabei dramatisch wurde. Das gefiel mir.

Es war mein zweiter Termin bei Camila. Sie hatte mein Vertrauen bereits gewonnen, als ich das erste Mal bei ihr gewesen war – damals zusammen mit meinem Noch-Ehemann. Nachdem ich ausgezogen war, hatte er darauf bestanden, dass wir gemeinsam eine Therapie machten. Jahrelang hatte ich alles versucht, und jetzt, als ich die Reißleine gezogen hatte, wollte er mich nicht gehen lassen.

Als wir dann gemeinsam bei Camila saßen, war ich wütend und fühlte mich nicht gehört. Nicht zum ersten Mal in meinem Leben. Und nun sollten wir Camila erklären, was unser Auftrag an sie war. Es schien mir, dass nicht klar war, wie hoffnungslos die Situation und wie verzweifelt ich in dieser Beziehung war, und so tickte ich aus. Ich weiß gar nicht mehr, was genau ich sagte, ich erinnere mich nur, dass ich zum Ende meiner Rede schrie. Die Therapeutin sollte einfach verstehen, dass diese Beziehung völlig hoffnungslos war und ich in keinster Weise kooperativ sein würde. Ich wollte einfach nur die Trennung. Und ich wollte, dass mir eine Autoritätsperson bestätigte, dass ich diese Trennung vollziehen durfte. Es war mir egal, ob sie dabei feststellte, dass ich allein schuld am Scheitern dieser Ehe war. Hauptsache, ich musste nicht zurück in diese aussichtslose Situation.

Aber den Gefallen tat Camila mir nicht. Von meinem Verhalten ließ sie sich weder einschüchtern noch hinreißen und gab mir gleichzeitig das Gefühl, ernst genommen zu werden. Sie schlug vor, die kommenden Sitzungen getrennt zu gestalten. Scheinbar konnte sie mit mir und allem, was ich mitbrachte, umgehen. Ich war ihr nicht zu viel. Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich einen Menschen, der mich und meine Emotionen aushalten konnte und keine Erwartungen an mich hegte.

Und so saß ich ihr in meiner ersten Einzelstunde gegenüber und stellte die Frage, ob ein Mensch sich ändern kann.

Für mich war klar: Wenn nein, dann ist diese Therapie sinnlos. Denn dann würde sich der Mann, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt verheiratet war, ja nicht ändern. Und ich würde es auch nicht tun. Dann könnten wir direkt die Flinte ins Korn werfen. Denn wir hätten aus meiner Sicht alles versucht – ohne Erfolg.

Für mich bestand der einzige Ausweg darin, dass einer von uns sich dem anderen anpasste, also so werden musste, wie der andere ihn haben wollte. Nur dann würde es klappen. Doch es widerstrebte mir völlig, mich noch mehr zu verändern. Nicht, weil es zu anstrengend gewesen wäre – vor Arbeit hatte ich mich nie gescheut –, sondern weil ich bereits alles Mögliche an mir geändert hatte und mir selbst dabei immer fremder geworden war. Ich hatte Dingen zugestimmt, die ich eigentlich nicht wollte, wie zum Beispiel ein Haus zu kaufen, weil ich glaubte, dass mein Mann dann glücklicher sein würde.

Es fing mit kleinen Dingen an: meiner Garderobe, mit wem wir uns trafen, ob wir überhaupt Leute trafen. Irgendwann war ich nur noch allein unterwegs. Und ich musste abends früher zu Hause sein, als mir lieb war. Langsam und für mich fast unmerklich veränderte sich auch das, was ich über mich dachte. Ich fing an zu glauben, nicht liebenswert zu sein und als Frau anders sein zu müssen. Ruhiger, zurückhaltender, am besten schüchtern bis unsicher. Ich sollte auch keine Meinung zu irgendwelchen Themen in der Welt oder zu anderen Menschen haben, mich anpassen und nirgendwo anecken. Keine Ansprüche stellen.

Stück für Stück passte ich mich an, wie ich nur konnte, und hofft