: Preston Ulmer
: Anders als geglaubt - Mit Christus vor Augen Dekonstruktion verstehen
: SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
: 9783417271041
: 1
: CHF 11.00
:
: Christliche Religionen
: German
: 224
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
In der aktuellen Zeit erleben viele Gemeinden, dass die grundlegenden Fundamente des Glaubens in Frage gestellt - dekonstruiert - werden, und das auch noch öffentlich! Mit einher geht die Angst, den Glauben zu verlieren, wenn wir uns mit gewissen Vorbehalten von Christen auseinandersetzen. Doch dieses Buch macht deutlich, dass Jesus selbst ein Dekonstruierender war. Er hat die starren Bilder von Gott, der Bibel und dem Miteinander hinterfragt und hat es ermöglicht, dass die Menschen Gott näherkommen konnten. Wollen wir uns von dem, der die Wahrheit ist, einladen lassen, in Bewegung zu bleiben und den Weg zur Quelle immer wieder neu zu finden?

Preston Ulmer studierte Religion und Theologie und ist der Gründer und Leiter des Doubters' Club, einer Organisation, die Christen und Atheisten lehrt, Freundschaft zu leben und gemeinsam nach der Wahrheit zu suchen. Er ist Pastor der North Point Church in Springfield in den USA.

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DEKONSTRUKTION IST TEIL UNSERES GEISTLICHEN ERBES


Ich muss mir immer wieder vor Augen führen, dass manche Vögel nicht dazu bestimmt sind, im Käfig zu leben.
Ihr Gefieder ist einfach zu bunt. Und der Teil von dir, der weiß, dass es eine Sünde war, sie einzusperren, freut sich, wenn sie wegfliegen.
RED (MORGAN FREEMAN), DIE VERURTEILTEN

Wer seine Leiche im Keller nicht loswird, bringt ihr am besten das Tanzen bei.
GEORGE BERNARD SHAW, UNREIF

Jedes Mal, wenn ich gebeten werde, über das Thema Dekonstruktion zu sprechen, versuche ich im Vorfeld so viel wie möglich zu recherchieren, um herauszufinden, wer im Publikum sein wird. Wenn ich weiß, aus welcher Prägung die Christen kommen, die mir zuhören werden, hilft mir das, mögliche Einwände vorherzusehen. Die Dürftigkeit unserer Lehren wird in der Regel deutlich, wenn wir über Themen wie eine Reform des Christentums, verletzende Gemeindekulturen, geistlichen Missbrauch und darüber sprechen, warum wir auf Kritiker hören sollten. Zum einen mag das daran liegen, dass wir nicht glauben wollen, dass solche Scheußlichkeiten im Namen Gottes geschehen sein könnten. Zum anderen daran, dass wir, sollten wir diese Dinge als wahr anerkennen, zugeben würden, dass wir zu dem Problem beigetragen haben könnten. Wie auch immer, die einzelnen Bereiche der Dekonstruktion scheinen oft ein Tabuthema zu sein.

Für eine Veranstaltung wurde ich gebeten, einen einstündigen Vortrag unter der Überschrift »Heilige Dekonstruktion« zu halten. Die Veranstaltung fand in Nordkalifornien statt, wo man vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass die Menschen über den Horizont ihrer eigenen Sichtweise hinausblicken – zumindest dachte ich das. Manchmal stelle auch ich Vermutungen darüber an, wie konservativ oder progressiv jemand ist, je nachdem, wo er wohnt. Ich hatte jedoch einen Saal voller Pastoren vor mir, und wie Upton Sinclair es ausdrückt: »Es ist schwierig, jemanden dazu zu bringen, etwas zu verstehen, wenn sein Gehalt davon abhängt, dass er es nicht versteht!«9

Da ich aus dem klimatisch extremeren Inland im Mittleren Westen kam, war ich überrascht, so viele Pastoren in Shorts oder Badehosen im Saal anzutreffen. Der Moderator las die kurze Zusammenfassung des Themas vor, die ich ihm einige Wochen zuvor geschickt hatte, was mir genug Zeit gab, mein Handy auszuschalten und einen Kaffeefleck auf meiner Hose zu bemerken, als ich nach vorn ging. Ich sprach vierzig Minuten lang darüber, inwiefern eine dekonstruierende Denkweise (in ihrer reinsten Form) mit der Denkweise von Jesus verwandt sein kann. Sobald mein Vortrag zu Ende war und die Fragerunde begann, schoss eine Hand aus der ersten Reihe in die Höhe wie eine Kugel aus dem Lauf. Leuten, die in der ersten Reihe sitzen und mutig genug sind, Fragen zu stellen, gehört immer meine Hochachtung.

»Danke, dass Sie hier sind«, begann der Fragesteller herzlich. Die Ruhe vor dem Sturm. »Dieses ganze Thema der Dekonstruktion erinnert mich an die Frage der Schlange an Eva: ›Hat Gott das wirklich gesagt?‹ Im Grunde empfehlen Sie den Menschen, Gottes Wort infrage zu stellen. Das ist die älteste Sünde überhaupt! Sie sagen uns, dass es gut ist, unseren Glauben zu dekonstruieren? Ich habe Jugendleiter, die das gerade tun, und es bringt sie dazu, die Bibel infrage zu stellen. Wie soll ich ihnen b