B.Allgemeine Anforderungen
an polizeiliches Handeln
I.Ermessen und Ermessensfehler[4]
Während auf dem Rechtsgebiet der Strafverfolgung das sog.Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) die Polizei zur Verfolgung einer Straftat zwingt (sog. Strafverfolgungszwang), findet im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich das sog.Opportunitätsprinzip iSd § 3 Abs. 1 PolG NRW Anwendung. Gem. dieser Norm trifft die Polizei ihre Maßnahmen stets nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Konkreten entscheidet die Polizei hierfür zunächst, ob sie in der vorliegenden Situation tätig wird (Entschließungsermessen) und wenn dies zu bejahen ist, welche Maßnahmen zur Abwehr der behandelten Gefahr zu wählen sind (Auswahlermessen).
1.Entschließungsermessen
Losgelöst von der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme, verfolgt das Instrument des Entschließungsermessens den Zweck, das Einschreiten der Polizei als solches in Verhältnis zu der zugrunde liegenden Gefahr zu setzen. Es gilt zu prüfen,ob die Polizei überhaupt einschreiten muss und wenn ja, welche gefahrenabwehrenden Maßnahmen getroffen werden. Inwiefern den Polizeibeamten eben dieser Ermessensspielraum eröffnet wird, lässt sich anhand des Gesetzestextes feststellen, denn so enthalten die Ermächtigungen entweder das Wort„kann“,„darf“ oder„soll“. Diese Modalverben sind auf die rechtlichen Möglichkeiten der Polizei, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen und tätig zu werden, bezogen. Sokann die Polizei bspw. die Identität einer Person zur Gefahrenabwehr feststellen, § 12 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW. Der Polizei wird dementsprechend das Entschließungsermessen eröffnet und über das Tätigwerden kann unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände eigenständig entschieden werden. Handelte es sich hingegen um eine Gefahr für Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte, d. h. die Bedeutsamkeit des gefährdeten Rechtsgutes ist als besonders hoch zu klassifizieren, so reduziert sich das Entschließungsermessen idR auf Null. Die Polizei muss tätig werden.
2.Auswahlermessen
Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Der betroffenen Person ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird, § 3 Abs. 2 PolG NRW. Eine rechtliche Schranke findet insbesondere das Auswahlermessen in Art. 3 GG und dem normierten Grundsatz der Gleichheit, gleichwohl die Variabilität verschiedenster Einsatzlagen eine strikte Umsetzung des Grundsatzes erschwert.
3.Ermessensfehler
Das polizeiliche Ermessen richtet sich nach der Norm des § 40 VwVfG NRW und impliziert folgende Ermessensfehler, welche zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme führen, § 114 VwGO:
a)Ermessensnichtgebrauch
Ist die Polizei zum Ermessen berechtigt, ist dieses zwingend vorzunehmen. Der einschreitende Polizeibeamte hat sich dementsprechend über die Umstände zu erkundigen und auf Grundlage dessen zu ermessen. Entfällt dies in Gänze, spricht man von einem sog. Ermessensnichtgebrauch.
b)Ermessensfehlgebrauch
Wird von dem Ermessen fälschlicherweise oder in einer nicht zugelassenen Art und Weise Gebrauch gemacht, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Dies ist bspw. immer dann der Fall, wenn ein Polizeibeamter nicht aus gefahrenabwehrenden, sondern persönlichen Gründen einschreitet.
Arten des Ermessensfehlgebrauchs |
Unsachgemäße Erwägungen | Der anhängliche Eingriff erfolgt aufgrund von persönlichen Interessen oder Motiven, oder sonstigen Motiven, welche im konkreten Fall als nicht ausschlaggebend zu klassifizieren sind. |
Begründungsmängel | Der Ermessensgebrauch lässt sich auf keine beweissicheren bzw. nachweisbaren Gründe zurückführen bzw. beruht auf auge |