Ein Jahr vor dem Mord
Auf dem Jahrmarkt roch es nach Popcorn und Schweiß, die Fahrgeschäfte quietschten, und der Bass dröhnte. Amanda musste ihrer Freundin Millan ins Ohr brüllen, um sich verständlich zu machen. »Guck mal da!«
Er stand in der Schlange am Tornado und trug eine coole graue Stoffhose und braune Wildlederschuhe, komplett anders als die langweiligen Typen an der Schule.
»Hab ihn noch nie gesehen«, sagte Millan. »Er kann nicht von hier sein.«
Trelleborg war trotz allem so klein, dass man einen Überblick über alle hatte, bei denen es sich lohnte.
»Komm«, sagte Amanda und schleifte Millan mit zum Tornado.
Am Wagen, wo Krapfen verkauft wurden, stand Kevin mit der Clique der Jungen, die im Sommer die Neunte abgeschlossen hatten. Amanda wandte sich ab und versuchte, unauffällig vorbeizuhuschen, doch es war zu spät.
»Na, wann poppen wir beiden mal, Amanda?«, rief Kevin.
Sie drehte sich um und streckte den Mittelfinger hoch. »Wenn dein Schwanz länger ist als mein Finger.«
Millan lachte hysterisch und die Jungs klopften Kevin auf den Rücken. Amanda machte gute Miene zum bösen Spiel, aber innerlich zerbrach sie.
Das Palmenfestival war das letzte Aufbäumen des Sommers. Die Schule hatte schon angefangen, aber es waren noch immer fünfundzwanzig Grad. Amanda und Millan hatten beschlossen, aus dem Wochenende etwas ganz Legendäres zu machen.
Sie kamen in dem Moment am Tornado an, als die Letzten in der Schlange die Stahltreppe hinaufstürmten, um sich eine Gondel zu sichern.
»Wir wollen mitfahren«, sagte Amanda zum bärtigen Schausteller, der direkt vor ihrer Nase die Absperrkette befestigte.
»Zu spät.« Der Mann würdigte sie keines Blickes.
»Please.« Amanda beugte sich so weit vor, dass dem Barttypen ihr Ausschnitt unmöglich entgehen konnte. Sie zeigte auf die rosa schimmernde Gondel, wo der Typ mit der Stoffhose neben seinem Kumpel saß. »Da sind doch noch zwei Plätze frei.«
Ohne zu zögern, packte sie das kalte Metall und machte die Kette wieder los. Als der Karussellmitarbeiter sich wehrte, klimperte sie mit den Augenwimpern und ließ ihre Fingerspitzen über seine verschwitzte T-Shirt-Brust gleiten. »Please, please, please.«
Fünf Sekunden später klemmte sie sich neben den gut aussehenden Typen in die rosa Gondel.
Jari und Maria waren ebenfalls auf dem Festival, auch wenn Jari – wie die meisten seiner Generation – es noch immer den Mikaelimarkt nannte. Sie hatten an einem Stand in der Fußgängerzone Brathering gegessen und sich eine Weile zwischen den fliegenden Händlern herumgetrieben, die Pullover mit Wolfsmotiv, Lakritzschnüre und Elchwurst verkauften. Jetzt saßen sie in dem vollgestopften Bierzelt mit je einem übervollen Plastikbecher in der Hand, während die örtliche Coverband auf tiefer gestimmten Gitarren eine schwedische Version vonSarà perché ti amo spielte.
»Sag es mir noch mal: Warum gehen wir eigentlich hierher?«, brüllte Jari über den Tisch hinweg. Er meinte sich zu erinnern, dass er ihr schon letztes Jahr dieselbe Frage gestellt hatte.
Maria sah ihn nicht an. Systematisch, einen nach dem anderen, scannte sie die Tische ab, nickte, lächelte und winkte.
»Weil es Spaß macht, sich Leute anzuschauen«, sagte sie.
Jari verstand nicht, warum das Spaß machen sollte. Ein Pils zu kippen und Hering zu essen mochte ja okay sein, aber d