Einleitung
Was ist die wichtigste Lektion, die eine Frau lernen sollte? Dass sie von Tag eins an alles hat, was sie braucht. Es ist die Außenwelt, die ihr einreden will, es wäre anders.
– Rupi Kaur
Ich erinnere mich gut, dass mir schon in jungen Jahren von allen Seiten eingeredet wurde, eine Frau müsse hart an sich arbeiten, um erfolgreich zu sein – doppelt so hart wie ein Mann, um genau zu sein. Deshalb spürte ich schon früh den Druck, mir alles abzuverlangen und mich notfalls bis an meine Grenzen zu bringen. In der Schule nahm ich es mit den anspruchsvollsten Kursen auf, büffelte wie eine Irre, um Bestnoten zu erzielen, und brachte mich bei möglichst vielen außerschulischen Aktivitäten ein, um meine kreativen Fähigkeiten zu schulen und mich in Teamführung zu üben. Ich hatte mir hohe Ziele gesteckt, und das verdient Respekt, keine Frage – aber mein Ehrgeiz hatte zweifellos seinen Preis. Während meiner Schulzeit blieb ich regelmäßig bis weit nach Mitternacht wach, um meine Hausaufgaben fertig zu bekommen. Ich merkte selbst, dass ich mir zu viel zumutete, und wenn ich jetzt zurückblicke, wird mir klar, wie teuer mein Körper dafür bezahlen musste. Die anhaltende Belastung durch meinen überzogenen Anspruch, Leistung zu zeigen, etwas zu schaffen, meine Ziele zu erreichen, setzte mir gesundheitlich zu. Mit dem Wechsel an die Universität wurde es noch schlimmer, und erst recht, als ich ins Berufsleben startete. Meine gesundheitlichen Probleme verschärften sich mit steigender Belastung. Die Angstattacken, die mich früher gelegentlich überkommen hatten, wurden zu einem Dauerzustand, Nacht für Nacht wälzte ich mich schlaflos im Bett. Ich legte ordentlich Gewicht zu, obwohl ich jeden Tag in Bewegung war, meine Hautunreinheiten verschlimmerten sich, meine Periode blieb aus, und ich fühlte mich zusehends überfordert von den vielen To-dos. Statt mich von meinen unzähligen Plänen und Vorhaben anspornen zu lassen, fühlte ich mich plötzlich nicht mehr in der Lage, die Dinge anzupacken, war ständig müde und erschöpft. Ich machte mir schwere Selbstvorwürfe, weil ich ununterbrochen Aufgaben vor mir herschob, ärgerte mich über mein mieses Zeitmanagement und darüber, dass ich mein Körpergewicht und mein Leben nicht im Griff hatte. Ich probierte es mit allen möglichen Diäten, mit Trainingsplänen und diversen Planungstools, und ich besorgte mir jeden Ratgeber auf dem Markt, von dem ich glaubte, dass er mir helfen könnte, die vielen Bälle in der Luft zu halten, mit denen ich jonglierte. Natürlich sah ich deutlich die Parallelen zu den Existenzen anderer Frauen – denn Fakt ist doch: Wir rackern uns täglich bis in die Abendstunden ab, kriegen aber trotzdem nicht annähernd genug gebacken. Wir kümmern uns um Kinder, Freunde und Angehörige, haben aber null Zeit zum Durchschnaufen. Wir treiben wie verrückt Sport, ohne sichtbare Ergebnisse. Wir bemühen uns um eine gesunde, ausgewogene Ernährung, fühlen uns aber trotz allem beschissen – und irgendwann stellen wir fest, dass unsere Reserven kaum mehr reichen, um problemlos zu funktionieren, uns gebührend um die Beziehung zu unseren Liebsten zu kümmern und abgesehen davon auch noch so etwas wie Lebensfreude zu empfinden. Wir alle suchen nach dem ultimativen Trick, wie wir die ganzen Anforderungen unter einen Hut bekommen. Aber sosehr wir uns anstrengen, am Ende stehen wir doch wieder mit dem Gefühl da, irgendwie versagt zu haben.
Es ist unsere moderne Leistungsgesellschaft, die uns dazu antreibt, uns jeden Tag aufs Neue körperlich an unser Limit zu bringen. Wir haben überzogene Erwartungen an uns selbst, gönnen uns keine Erholungspausen und hinken zeitlich trotzdem immer hin