ALIZEHRÜHRTESICHLANGENICHT.
Sie war von Angst und Ungläubigkeit wie gelähmt, ihr Denken bestürmt von Ungewissheit. Langsam kehrte Gefühl in ihre Gliedmaßen zurück, in ihre Fingerspitzen. Bald spürte sie den Wind in ihrem Gesicht, sah, dass sich der Nachthimmel um sie her ausbreitete wie ein mitternächtliches, mit Sternen besticktes Laken.
Allmählich begann sie, sich zu entspannen.
Das Untier war schwer und massig und schien zu wissen, wohin es wollte. Alizeh atmete die Luft tief in ihre Lungen ein, versuchte, die Panik ganz loszuwerden, sich zu sagen, dass sie sicher wäre, zumindest solange sie sich an dieser wilden Kreatur festhielt. Sie veränderte ihre Position, als sie plötzlich durch die Überreste ihres dünnen Kleides hindurch weiche Fasern über ihre Haut streichen fühlte. Sie sah prüfend an sich herunter. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie auf einem kleinen Teppich saß, der …
Alizeh hätte beinahe wieder geschrien.
Der Drache war verschwunden. Er war noch immer da – sie konnte das Geschöpf unter sich fühlen, die ledrige Beschaffenheit seiner Haut –, aber es war unsichtbar geworden, sodass es aussah, als würde sie auf einem gemusterten Teppich fliegen.
Es war zutiefst verstörend.
Doch da verstand sie, warum der Drache verschwunden war – ohne seinen gewaltigen Leib konnte sie die Welt unter sich sehen, die Welt jenseits.
Alizeh wusste nicht, wohin die Reise ging, aber für den Augenblick zwang sie sich, nicht panisch zu werden. Schließlich war hier ein seltsamer Frieden in der Stille, die sie umgab.
Während sie sich entspannte, schärfte sich ihr Denken. Rasch riss sie sich die Stiefel von den Füßen und schleuderte sie in die Nacht hinaus. Es erfüllte sie mit großer Zufriedenheit zu sehen, wie sie in die Dunkelheit entschwanden.
Erleichterung.
Ein unvermittelter Aufprall auf dem Teppich veränderte dessen Schwerpunkt und ließ sie aufschrecken, sodass sie kerzengerade dasaß. Alizeh fuhr herum, während ihr Herz wieder in der Brust zu hämmern begann. Als sie das Gesicht ihres ungebetenen Reisegefährten sah, dachte sie daran, den Stiefeln in die Nacht nachzuspringen.
»Nein«, flüsterte sie.
»Das ist mein Drache«, sagte der tulanische König. »Es ist dir nicht erlaubt, meinen Drachen zu stehlen.«
»Ich habe ihn nicht gestohlen, das Vieh hat … Warte, wie bist du hierhergekommen? Kannst du fliegen?«
Da lachte er. »Ist das mächtige Reich Ardunia wirklich so arm an Magie, dass dich diese kleinen Zaubertricks beeindrucken?«
»Ja«, erwiderte sie blinzelnd. »Wie heißt du?«
»Was für eine unlogische Frage! Warum willst du meinen Namen wissen?«
»Damit ich dich zwangloser hassen kann.«
»Aha. Nun, in diesem Fall kannst du mich Cyrus nennen.«
»Cyrus«, wiederholte sie. »Du widerwärtiges Ungeheuer. Wohin um Himmels willen fliegen wir?«
Ihre Beleidigungen schienen ihm nichts auszumachen, denn er lächelte immer noch. »Hast du das wirklich noch nicht begriffen?