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Ein angeschwollener gelber Mond überzog den Himmel mit einem fahlen Bernsteinton und schien auf eine einsame Gestalt herab. Es war eine Frau, die zwischen zwei Maulbeerfeigenbäumen stand.
Es hatte geregnet, der Boden war schlüpfrig, und das Atmen fiel ihr schwer, als sie auf die Hütte zuging. Der Wald fühlte sich lebendig und gefährlich an, erfüllt von den Geräuschen der Grillen und dem Donnergrollen in der Ferne. Ein leises Trällern war auch zu hören. War das ein Vogel? Die Laute klangen zu hoch.
Die Frau presste eine Hand an die Lippen und starrte die Hütte mit der einladenden Beleuchtung an. Doch diese Oase der Wärme war weit entfernt. Ein Zweig knackte und die Frau sah sich panisch um. Sie fing an zu rennen.
Nun mischte sich das Trippeln ihrer Füße in die Geräusche der Nacht. Sie stürzte voran, zerrte mit beiden Händen verzweifelt an der Tür – dann ein Knall, so laut, es klang wie ein Kanonenschuss –, bis sie es endlich schaffte, sie zu öffnen und in die Hütte zu stürmen. Sofort schloss sie die Tür hinter sich, legte den Riegel vor und trat zurück, wartete mit geweiteten Augen.
Sie fuhr zusammen, als sie das Krachen einer Axt auf Holz hörte. Splitter flogen durch die Luft. Die Frau schrie, wich immer weiter in den Raum zurück, während sich ein Mann den Weg durch die Tür freihackte. Der Schrei war eher ein nerviges Quieken, das die Pegel abrupt in den roten Bereich trieb. Der Mann stand auf der Schwelle und hielt die Axt fest umklammert. Dann rückte er vor. Sein Atem glich einem Keuchen, durchsetzt von lästigem Knacken.
»Schon wieder dämonische Besessenheit?«, fragte Montserrat. Ihre Augen fixierten dasVU-Meter, während sie auf den Knien einen Notizblock balancierte.
»Geister«, sagte Paco.
Sie kritzelte auf ihrem Block. »Ich dachte, du hättest es mit Ninjas.«
»Die Ninjas machen wir immer noch, nur nicht gerade jetzt.«
»Ein Ninja-Moratorium.«
Die Frau schrie wieder. Montserrat drückte auf einen Knopf und fror die Bildschirmanzeige ein. Dann drehte sie ihren Stuhl um.
In dem schallgedämmten Raum roch es vage nach dem Lufterfrischer mit Kiefernduft, den die anderen Soundeditoren gern versprühten, um die Tatsache zu übertünchen, dass sie hier drin rauchten. Der ganze Raum war ein ziemlicher Saustall. Die Editoren ließen regelmäßig Pizzakartons und leere Pepsiflaschen im Kontrollraum zurück, zusammen mit dem Geruch von Zigaretten. »Speisen und Rauchen im Kontrollraum verboten«, verkündete ein Schild, das halb unter den diversen Aufklebern verschwand, die die Editoren über die Jahre auf ihm hinterlassen hatten. Theoretisch war diese Ermahnung durchaus sinnvoll, besonders, wenn es um Filme ging. Man will die Arbeitskopie ja nicht mit Fett versauen. In der Praxis wurde von den Editoren im Grunde erwartet, dass sie vor ihren Monitoren aßen. Während der Postproduktion riss man sich ununterbrochen den Arsch auf und versuchte, überzogene Fristen wiedergutzumachen. Die Schneideräume sahen alle wie Kriegsgebiete aus, es sei denn, man musste damit rechnen, dass ein Kunde den Kopf zur Tür hereinstreckte.
Trotzdem hätte sie vielleicht aufgeräumt, hätte Paco sie nicht so überfallen. Zu seinem Pech war dieser spezielle Kontrollraum sehr klein und hatte anders als die größeren Räume keinen Kundenbereich mit Sofa zu bieten. Paco hockte unbehaglich auf einem Stuhl an der Tür, gleich neben einem Stapel Bänder und Vinylplatten. Seiner Haltung nach zu schließen, kämpfte er vermutlich gerade mit einem Krampf.
»Also, was meinst du?«, fragte Paco.
»Ich