: Constantin Schreiber
: Echnatons Fluch Ägypten-Krimi
: Hoffmann und Campe
: 9783455017960
: Theodora Costanda ermittelt
: 1
: CHF 15.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 272
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ägypten, heute: Nahe einer uralten Kultstätte am Nil hat sich eine Sekte angesiedelt, die sich völlig von der Außenwelt abschirmt. Die Mitglieder huldigen Pharao Echnaton - und prophezeien den nahenden Weltuntergang. Als mehrere Mitglieder der Sekte ermordet werden, rückt die isolierte Gemeinschaft ins grelle Licht der Öffentlichkeit. Kommissarin Theodora Costanda nimmt die Ermittlungen auf. Gehen die Morde auf religiöse Eiferer zurück? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Theodora taucht immer tiefer in einen Fall, der sie tief in die Geschichte des Landes führt, bis hin zum düsteren Geheimnis eines seiner mächtigsten Pharaonen.

Der Autor, Journalist und ehemalige Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber (Jahrgang 1979), wurde 2016 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Mit seiner 2019 gegründeten Deutschen Toleranzstiftung setzt er sich für interkulturellen Austausch ein. Zuletzt erschienen bei Hoffmann und Campe sein Krimi Echnatons Fluch  (2025), das Debattenbuch Lasst uns offen reden! (2024) sowie der Spiegelbestseller Glück im Unglück (2023). 

Kapitel 1


Theodora Costanda hielt sich den Schal, den sie locker um den Hals trug, dicht vor den Mund und schlenderte durch die staubigen Gassen des Wüstendörfchens Deir el-Berscha. Ihr Gang war steif, und Theo spürte die Schmerzen in jedem Muskel. »In jeder Faszie«, korrigierte ihre Yoga-Lehrerin sie einmal lachend und erzählte ihr von den zarten Geweben, die die Muskeln umschlossen und den Körper zu einer strukturellen Einheit formten. Diese sanft zu trainieren, schmiere nicht nur den Körper, sondern öffne Seele und Geist, so die überzeugten Worte der Yogi. Theo verzog das Gesicht. Von sanft konnte hier wirklich nicht die Rede sein.

 

Seit vier Tagen war sie jetzt schon in diesem Yoga-Retreat, nur wenige Kilometer von Deir el-Berscha entfernt, mitten in der ägyptischen Wüste. Was so ein paar Kilometer ausmachen konnten, dachte Theo. Während im Wüstendorf direkt am Ufer des Nils wenigstens ein paar Dattelpalmen und Maulbeerfeigen wuchsen, hatte die Landschaft um das Yoga-Camp herum tatsächlich nicht mehr zu bieten als schmutzig-ockerfarbenen Schotter und geröllartige Hügel. Ein guter Ort, um sich auf sich selbst zu besinnen, dachte Theo ironisch. Hier gab es ja nichts anderes.

Ihre Auszeit in der Wüste hatte sie sich gänzlich anders vorgestellt. Feinpulverige, gelbe Sanddünen, durch die sie gedankenversunken stapfen konnte, um dann auf ihren Kuppen über die Weite des ägyptischen Hinterlandes zu blicken. Sie musste über sich selbst lachen, dass sie so einer Illusion aufgesessen war. Und schließlich war es auch egal, denn sie brauchte diese Pause dringend, ob nun in feinem Sand oder Geröll. Seit ihrem letzten Fall hatte sie sich verändert, das spürte sie selbst. Sie war ständig erschöpft, ertappte sich dabei, wie sie im Umgang mit anderen oder auch nur in Gedanken mal schrecklich weinerlich war, mal unangenehm ironisch. Es war an der Zeit, ihren alten Biss wiederzufinden, aber auch ihre alte Warmherzigkeit. Oder vielleicht auch, dachte Theo und dehnte sich vorsichtig, eine ganz neue Theodora Costanda, aber eine, die sie mochte.

Vielleicht fand sie die ja inmitten ihrer kleinen Gruppe inspirierter Frauen, die sich zum Sonnenaufgang morgens um kurz nach sechs das erste Mal auf der Yoga-Matte traf. Einige von ihnen waren ihr sehr sympathisch, und es gefiel Theo auch, dass die Frauen alle aus ganz unterschiedlichen Ländern kamen. Obwohl Theo Alexandria immer als ihre Heimat bezeichnete, wusste sie doch, dass andere sie häufig alsagnabija ansahen, als Ausländerin. Vermutlich lag das an ihren blauen Augen, vielleicht auch daran, dass sie in Belgien geboren und aufgewachsen war. Ihre Mutter aber stammte aus Ägypten und war vor einigen Jahren, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, mit Theo nach Alexandria gezogen, in die Nähe ihrer Verwandtschaft. Theo war es so vorgekommen, als wüsste sie endlich, was sie die ganzen Jahre vermisst hatte. Es gab etwas in diesem Land – fast würde Theo sagen, eine Energie, aber dieses Konzept widersprach ihrer logischen Art zu denken –, das sich in jedem Menschen hier zeigte, egal ob arm oder reich, gebildet oder nicht. Eine Art selbstverständlicher Stolz, eine Präsenz der Menschen, die sich nicht erklären musste, sie war einfach da. Das Erbe einer Hochkultur, die aus den brillantesten Künstlern, Baumeistern, Wissenschaftlern und natürlich Königen bestanden hatte. Ja, vielleicht war es auch das, was jeder hier