KAPITEL1
Wer anderen ein Schnitzel klopft, wird selbst zum Tier
THERAPIETAGEBUCH
Ich soll das schreiben, hat meine Therapeutin gesagt. Aufschreiben. Alles.
Würde mir helfen, hat sie gesagt. Und könnte mir bei der bevorstehenden Verhandlung wegen schwerer Sachbeschädigung inneren Halt geben.
Tja.
Dann mach ich das mal.
Aber wenn ich merke, dass das alles nur Quatsch ist, lass ich es.
Die Verhandlung, das wird eh ein Spaß … Dabei bin ich das Opfer, wirklich! Bin provoziert worden. Vom Sender und von Max.
Und richtig abgezockt! Wie sollte ich da ruhig bleiben?
Also, das war in Wahrheit nämlich so …
Shit, das ist doch super! Sie werden verfilmt, Herr Mann! Nein,wir werden verfilmt!«
Thom saß Max, dem jugendlichenTV-Producer sämtlicher bisheriger Vorkommnisse, im kleinen Aufenthaltsraum von Studio3 gegenüber.
Vorkommnisse. Anders konnte Mittvierziger Thom diese aufgezeichneten Test-Episoden quer durch die Koch- und Backsendungen nicht bezeichnen, abgesehen vielleicht vonUnfall oderShit Show. Wenigstens hatte es Unterhaltungswert und ihm ein Einkommen beschert, das seine Schulden reduzierte. Wenn auch nicht tilgte.
Undwas sie nicht alles gemacht und angedacht hatten!
The Löffelchen, Bäcker sucht Frau, Restaurantretter am Limit, German Streetfood – was Deutschland wirklich isst, SchmeckDown - Wrestling Cooking, Um Topf& Kragen, Durchfall oder Durchstart, The Masked Chefs Sing Along, Sanftes Töten: Besuch im Schlachthof, Kitchen Machinista – Küchengeräte im Test, Deadly Cooking, Die Essensflüsterer: Tier vs. Pflanze … und vieles mehr. Den TitelFart Food hatte er verweigert, obwohl es um Bohnen, Erbsen und Linsen gegangen wäre. Alles hatte Grenzen.
Wenn auch keine sehr engen. FürDeadly Cooking hätten sie ihn beinahe nach Japan geflogen und Fugu zubereiten lassen. Ohne Vorbereitung und Ausbildung. Um ein Haar wäre er zudem dankSchmeckDown beim Wrestling in denUSA gelandet. Im Ring. Was für ihn als Laien ähnlich tödlich wie Fuguverzehr gewesen wäre.
Thom, charismatisch, Durchschnittsmann mit braunen Haaren im Standardkurzschnitt und gewinnendem Lächeln, kam das alles gerade sehr absurd vor.
Max nicht. Niemals.
Max war25, frisch von der Filmakademie, überambitioniert und freakig, von der Frisur bis zu den Klamotten. Irgendwas zwischen Hipster und Schlunz. Für Thom waren alle Menschen, die sich außerhalb der Wohnung oder des Sportbereichs in Trainingskleidung bewegten, einfach nur Schlunz.
Doch Max kam beim jüngeren Publikum verdammt gut an.
Er war genau der Richtige für sämtliche überdrehten Formate, die sie bislang quotenstrategisch und erfolgreich für den Privatsender Sat7 VoxTL in die Testphase gebracht hatten. Obwohl Thom bis heute nicht wirklich verstand, wie die Millionen Views auf Social Media passiert waren. Diese Bildschirmküchenunfälle begeisterten offenkundig alle unter Zwanzigjährigen.
Thoms defizitäresMann’is Schnitzeleck verkaufte hingegen kein einziges Essen mehr als vorher – dabei hatte er lediglich dafür bei demTV-Kram überhaupt mitgemacht. Sich breitschlagen lassen wie ein Schnitzel, um seinen Laden und sich vor dem Ruin zu retten.
»Na ja, Verfilmung. Ich weiß nicht«, entgegnete Thom unsicher.
Eigentlich war er froh, dass es fast vorbei war. Gleich begann die Aufzeichnung des FormatsPlus1 Panade, in dem es – o Wunder – um panierte Lebensmittel ging, um die man keine Panade erwartete. Suppe zum Beispiel. Oder Butter. Kuchen. Pasta. Und Markklöß