1. KAPITEL
FINN
JETZT
Mein Vater sagte mir einmal, die Lügen, die wir uns selbst erzählen, könnten uns entweder herunterziehen oder über Wasser halten. Ich habe nie verstanden, was er damit meinte. Bis das Lügen zur einzigen Waffe meines Vaters wurde in seinem Krieg gegen die Realität.
»Alles okay.«
»Macht euch keine Sorgen um mich.«
»Wir schaffen das schon.«
Das Einzige, was er in dem Jahr nach dem Tod meiner Mutter tat, war alle anzulügen.
Die Leute.
Uns.
Sich selbst.
Aber die Lügen hielten ihn am Laufen. Der Mist, den er wie ein Mantra wiederholte, half ihm morgens aus dem Bett zu kommen. Damals hat mich das total angepisst. Seine ungerührte Fassade war wie Salz in meinen offenen Wunden.
Ich wollte ihn zerbrechen sehen. Wollte ihn so vor Schmerz gelähmt sehen, dass er aufhörte zu funktionieren. Und jetzt? Bin ich froh, dass er gelogen hat. Wir hatten schon einen Elternteil verloren; wir durften nicht auch noch ihn verlieren.
Monatelang erlebte ich, wie er die Augen vor der Wahrheit verschloss, bevor ich es selbst mit seiner Wunderkur versuchte. Das Problem war nur, ich schaffte es nicht wie er, so zu tun als ob. Ich konnte dem Universum nicht vergeben, dass sie uns genommen wurde.
Ich konnte dem Mond nicht vergeben.
Ich konnte der Sonne nicht vergeben.
Ich konnte dem Meer nicht vergeben.
Die ganze Welt war schuld.
Alles.
Jeder.
Ständig.
Natürlich gab es Augenblicke – wenn ich mit den Jungs trank, Basketball spielte oder mich bis zu den Eiern in namenlose Cheerleaderinnen versenkte – , in denen ich loslassen konnte.
Um zu vergessen.
Aber nur vorübergehend. Der bedeutungslose Sex, das Saufen, meine Sucht nach Basketball. Die Linderung war lediglich von kurzer Dauer. Und bis heute habe ich nur eine einzige immerwährende Heilung gefunden.
Sie.
Diamond Mitchell.
Meine Medizin.
Meine Rettung.
Mein Juwel.
Dieses Mädchen ist wie ein Rausch, der niemals endet. Ein Heilmittel fürs ganze Leben, das man nur ein einziges Mal nehmen muss. Solange ich sie bei mir hatte, war die Dunkelheit verschwunden. Es ist weniger als vierundzwanzig Stunden her, seit ich sie verloren habe. Es ist nicht einmal ein ganzer beschissener Tag vergangen, seit sie bei Aveena ins Auto gestiegen ist und mich mit einem Tritt aus ihrem Leben befördert hat. Und schon fühle ich, wie die Finsternis herankriecht. Tropfen für Tropfen. Nach und nach.
Was erklären dürfte, weshalb ich hier bin, weshalb ich um verfickte sieben Uhr morgens gegenüber von ihrem Haus im Auto sitze. Welcher Geistesgestörte