Tote Haut
Catharina Aydemir
Es fiel mir schwer, meinen Ekel zu verdrängen, als ich die Plastiktüte über das noch warme Häufchen stülpte und das verknotete Bündel mit einem gekonnten Wurf im nächsten Mülleimer versenkte. Noch sechs regenverhangene Tage, dann würden meine Nachbarn das zottelige Tier, das jetzt über die kniehohe Absperrung zum Ufer des Nymphenburger Kanals sprang, wieder abholen. Dass ich dann nicht mehr in aller Herrgottsfrüh Gassi gehen musste, beruhigte den Morgenmuffel in mir. Bis dahin würde die Hündin allerdings mit ihren Matschpfoten meinen hellen Teppichboden vollends zerstört haben und die frisch gekauften Wiener würden sich vermutlich auch weiterhin in Luft auflösen.
Ich klappte den Kragen meines Mantels hoch. Coco Flanell, wohl irgendeine Kreuzung aus irischem Wolfshund und Scheuerbürste, stolperte schwanzwedelnd auf mich zu und zerrte einen Ast aus dem Gestrüpp.
»Jaa, fein … Komm, lass aus!«, lobte ich die Hündin halbherzig, während sie mir erdige Pfotenabdrücke auf die Wildlederstiefel stempelte. Knurrend verteidigte Coco ihre Trophäe, die ich ihr versuchte abzunehmen. Durch einen plötzlichen feuchten Hundenieser bekam ich das Stück Holz zu fassen. Artig legte die Hündin den Kopf schräg, hechelte und wartete, bis ich ihr die Beute wieder aushändigte.
»Was ist das denn?« Mich beschlich ein ungutes Gefühl.
Coco, deren Aufmerksamkeitsspanne glücklicherweise der eines Goldfischs glich, raste bereits wieder einer aufgeschreckten Taube hinterher. Da ich keine Latexhandschuhe dabeihatte, schlüpfte ich mit der Hand in eine der Kottüten, betupfte damit einen Fleck auf dem Ast und verrieb die klebrige Substanz zwischen den Fingern. Mein medizinisches Studium brauchte ich nicht, um die dunklen Flecken als Blut zu identifizieren. Ich roch am Holz. Eine unterschwellige chemische Note mischte sich unter den Geruch nach Eisen und Moder. Wie bei Coco vorhin kitzelte es auch mich in der Nase.
Die Hundedame riss mich aus meinen Beobachtungen. Aufgeregt rannte sie immer wieder am schlammigen Ufer auf und ab und bellte das Wasser an.
»Bist du jetzt leise!«, ermahnte ich die struppige Hündin und stakste, noch mit dem Ast in der Hand, zu ihr.
Im trüben Wasser, zwischen schwimmendem Laub und Unrat, suchte ich den Grund für Cocos Nervosität. Als ich ihn entdeckte, stockte mir der Atem. Etwa 30 Zentimeter unter der Wasseroberfläche trieb ein menschlicher, lebloser Körper. Das Gesicht zeigte nach unten. Eine Wolke aus langen rötlichen Haaren umspielte eine klaffende Wunde am Hinterkopf. Die helle, aufgeweichte Haut der Hände signalisierte mir, dass bereits jede Hilfe zu spät kam. Erschrocken sah ich mich um. Was sollte ich tun?
Ich holte mein Handy heraus und verständigte die Polizei. Es hatte zu regnen aufgehört. Die Luft roch feucht und erdig. Hoffentlich war es noch früh genug, um auf keine weiteren Spaziergänger zu treffen. Ich zog Coco zu mir und setzte mich auf die niedrige Brüstung, die den Kiesweg vom Kanalufer abtrennte. Ihre Hinterbeine zitterten leicht. Konnte der Hauch des Todes für Cocos feinen Geruchssinn präsent sein? Gedankenverloren beobachtete ich das schaurige Treibgut und fragte mich, wie lange die tote Frau wohl schon im Wasser lag. Durch meinen Ex-Mann, einen Forensiker, hatte ich bereits einige Menschen post mortem gesehen. Mal mehr, mal weniger gut in Schuss. Die unappetitlichen Fotos von aufgeschnittenen Torsi hatte er des Öfteren auf dem K