Kapitel 1 • Hexenjagd
Salzburg, Rathaus, 1678
»Hat Sie mit dem Schinderjackl den Beischlaf gehalten?«
Sebastian Zillner, Doktor der Rechte und Hexenkommissar, starrte an der Angeklagten vorbei auf die raue, feuchtfleckige Wand der Zelle. So viele Verhöre hatte er die letzten Monate geführt! Früher oder später hatte er die Malefikanten alle gekriegt! Irgendwann haben sie alle gestanden! Kriminelles zum Beispiel: Ja, ich habe die Schafherden verzaubert, deswegen sind die Tiere alle gestorben! Lüsternes: Natürlich habe ich es mit dem Teufel getrieben und auch ansonsten mit vielen Männern kopuliert! Sensationelles: Ich gebe zu, den Bauch der Schwangeren beschworen und besprochen zu haben, sodass das Kind mit zwei Köpfen zur Welt gekommen ist!
Agnes Fresner mied den Augenkontakt mit Zillner. Ihr dünnes, fast schon weißes Haar erinnerte an ausgeblichenes Stroh. Die Kopfhaut mit ihren Narben und Krusten schimmerte überall durch und gab dem Haar zusätzlich einen Stich ins Aschfahle. Die Pupillen ihrer blutunterlaufenen Augen sprangen hin und her wie ein Hase, der vor den Jägern im Zickzack flieht. Sie verströmte einen penetranten Geruch, der vom Urin herrührte. Mit ihm hatte sie den ganzen Körper eingerieben, um den juckenden Grind zu bekämpfen. Der eigene Urin war das einzige Mittel gegen die eitrigen Blasen und das Jucken. Das einzige Mittel jedenfalls, das einer Bettlerin wie ihr zur Verfügung stand. Zwanzig Jahre alt war sie, schaute aber aus wie eine Greisin. Sie trug den groben Leinenkittel der Gefangenen. An den Kehlkopf hatte man ihr ein geweihtes Amulett mit dem Bild der Allerheiligsten Jungfrau Maria mit einer Schnur eng festgezurrt. Sie würgte deswegen ständig, keuchte, röchelte. Das kalte Gemäuer, in dem sie sich befanden, gab diesen Lauten einen apokalyptischen Hall.
»N-e-e-i-n. Ha-a-a-b ich ni-i-i-cht«, hechelte sie. Zillner wandte ganz langsam seinen Blick den Gerichtsdienern zu.
»Dreißig Mal die Rute, wohlempfindlich. Außerdem rasieren und in Weihwasser baden.