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Im Mai2004 war Jess fünfundzwanzig und Malcolm dreißig, sie waren also mehr als erwachsen genug. Das Serienfinale vonFriends stand kurz bevor, und die Gesichter der Hauptdarsteller prangten auf nahezu sämtlichen Bussen von New York City. Jess würde das Baby mit sechsundzwanzig zur Welt bringen, mit einem soliden Abschluss in der Tasche. Cobie hatte ein paar Freundinnen eingeladen und war damit beschäftigt, aufzuräumen und Snacks bereitzustellen, während Jess am Fenster nach Malcolms Wagen Ausschau hielt. »Ich bin mal kurz weg!«, rief sie Cobie zu, als sie seinen schwarzen Nissan entdeckte, dann rannte sie die Treppe hinunter bis um die Ecke, wo er immer auf sie wartete. Als sie einen Parkplatz gefunden hatten, gingen sie zum nächsten Drugstore und waren so schockiert von den gepfefferten Preisen, dass sie den billigsten Test nahmen. Aber als sie in der Schlange warteten und Malcolm das Kleingedruckte auf der Packung las, wusste Jess, dass sie dem Test nicht trauen würde, weil er nur halb so viel kostete wie die anderen. Also lief sie schnell zum Regal zurück und nahm stattdessen den teuersten. Als sie wieder bei Malcolm in der Schlange stand, drückte er sie an sich und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er.
»Du dir auch nicht«, sagte sie und legte die Arme um ihn.
Vor ihnen warteten zehn andere Leute darauf, Alltagsdinge aufs Kassenband zu legen: Mascara, Kondome, Beruhigungsdragees, Grußkarten, Zahnpasta. Es war ein schöner Frühlingsabend.
Sie wollte den Test nicht bei sich zu Hause machen, weil Cobie es dann mitbekommen hätte. Malcolm war überrascht, dass sie sonst niemandem von ihrem Verdacht erzählt hatte, nicht einmal Cobie, und war gerührt, ein Geheimnis, von dem nur sie beide wussten. So liefen sie eine Stunde lang durch Manhattan, die Schachtel in Jess’ Tasche, und als sie am Times Square am Pizza Hut vorbeikamen, hielt sie es nicht länger aus und rannte dort aufs Klo. »Ich komme mit«, erklärte Malcolm. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich so lange draußen warte, oder?«
Am Telefon hatte sie ihm gesagt, dass sie sich zu achtzig Prozent sicher war, aber als sie sich auf die Klobrille setzte, um auf das Testding zu pinkeln, kamen ihr achtzig Prozent übertrieben vor. »Und jetzt?«, fragte er. »Bist du dir jetzt nur noch zu fünfzig Prozent sicher?«
»Eher zu dreißig Prozent«, erwiderte sie. Sie wollte, dass er wegsah und sich die Ohren zuhielt, weil es ihr peinlich war, vor ihm zu pinkeln.
»Ich habe dich schon in peinlicheren Situationen gesehen«, lachte er.
»Das ist mir egal!«, sagte sie.
Sie war zwei Wochen überfällig. Und müder als sonst. Auch geruchsempfindlich, aber sie waren schließlich in Manhattan, und es war schon seit Tagen brütend heiß.
»Und jetzt?«, fragte er, als sie zusammen auf den Teststab starrten.
»In der Anleitung steht, es kann bis zu zwei Minuten dauern.« Draußen, im überfüllten Restaurant, lief einer seiner Lieblingssongs. Er zog Jess zu sich heran. Im Half Moon war er einmal hinter dem Tresen hervorgekommen, um zu diesem Song zu tanzen. Eine Frau hatte gemeint, es gebe nichts Besseres als einen großen Kerl, der geschmeidig tanzen könne, woraufhin er rief: Wollt ihr mal sehen, wie das aussieht? Er strich sich über die Krawatte, blieb einen Moment lang regungslos stehen, dann ließ er seine breiten Schultern kreisen und legte los. Die Menge klatschte im Takt mit und bildete einen Kreis um ihn. Er tanzte immer schneller, immer besser. Ich liebe diesen Kerl, dachte Jess an jenem Abend. Nach dem ersten Refrain verschwand er wieder hinterm Tresen, als wäre nichts passiert. Als Jess sich daran erinnerte, dachte sie: Wir werden es wissen, bevor dieser Song zu Ende ist. Jemand hämmerte gegen die Tür, und Malcolm rief, dass es noch