Wir alle haben eine innere Stimme im Kopf, die uns ständig bewertet. Im Volksmund hat sich dafür der Begriff »innerer Kritiker« durchgesetzt. Ist dir aufgefallen, dass es keinen Gegenbegriff zum inneren Kritiker gibt? Ich habe noch nie jemanden vom »inneren Befürworter« oder »inneren Schmeichler« oder »inneren Unterstützer« reden hören. Das ist doch bemerkenswert. Wenn unsere Sprache unsere Realität widerspiegelt, dann scheint es, als würden wir alle uns ständig kritisieren – und uns kaum bis gar nicht selbst loben. Sonst gäbe es einen verbreiteten Begriff dafür.
Jetzt könnten wir lange darüber philosophieren, warum wir alle einen inneren Kritiker im Kopf sitzen haben, aber keinen inneren Unterstützer. Die vielleicht einfachste Erklärung dafür könnte darin liegen, dass ein Mensch, der sich aufgrund von Selbstkritik ständig optimiert, überlebensfähiger ist. Hätten wir nämlich keinen inneren Kritiker, sondern nur einen inneren Befürworter, würden wir höchstwahrscheinlich in Selbstzufriedenheit baden, niemals unsere Komfortzone verlassen und uns somit nie weiterentwickeln. Doch wie überall im Leben ist es ratsam, die Extreme zu meiden. Bei vielen von uns entwickelte sich der innere Kritiker zum inneren Feind. Wie ich bereits in der Einleitung angedeutet habe, ist der innere Kritiker bei einigen von uns so groß und mächtig geworden, dass er Tag und Nacht etwas an unserem Aussehen, unserem Charakter oder unseren Erfolgen auszusetzen hat. Mein Coaching-Klient Marcel nutzt den Begriff desStaatsanwalts in meinem Kopf, der ihm die ganze Zeit lange Anklageschriften zu allen möglichen Lebensentscheidungen vorliest. Es ist also kein Wunder, dass Menschen mit einem übermächtigen inneren Kritiker, der alles in Grund und Boden redet, ein schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben. Wenn der innere Kritiker selbst in Rage gerät, kritisiert er nicht nur einzelne Entscheidungen, sondern unser gesamtes Wesen. Dann fällt er ein vernichtendes Urteil – hier ein paar Beispiele:
Manchmal verschmelzen wir auch mit unserem inneren Kritiker, sodass die innere Stimme die Ich-Perspektive einnimmt: