: Jens Beckert
: Verkaufte Zukunft Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht | Neue Ansätze zu einer realistischen Klimapolitik
: Suhrkamp
: 9783518778760
: 1
: CHF 30.00
:
: Sozialwissenschaften allgemein
: German
: 238
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Nomini rt für den Deutschen Sachbuchpreis 2024

» arum sind Gesellschaften nicht in der Lage, dem Klimawandel Einhalt zu gebieten? Das ist die Leitfrage dieses Buches.«

Seit Jahrzehnten wissen wir um die Erderwärmung und ihre Gefährlichkeit. Dennoch nehmen die globalen Treibhausgasemissionen weiter zu.Offenbar gelingt es uns nicht, den Klimawandel zu stoppen. Wie lässt sich dieses Versagen erklären? Warum reagieren Gesellschaften so zögerlich auf diese Bedrohung? In seinem neuen Buch gibt Jens Beckert eine Antwort. Dass die erforderlichen Maßnahmen nicht ergriffen werden, liegt an der Beschaffenheit der Macht- und Anreizstrukturen für Unternehmen, Politiker, Wähler und Konsumenten.Die bittere Wahrheit ist: Wir verkaufen unsere Zukunft für die nächsten Quartalszahlen, das kommende Wahlergebnis und das heutige Vergnügen.

Anh nd vonzahlreichen Beispielen und mit sozialwissenschaftlichem Besteck zeigt Beckert, warum es sich beim Klimawandel um ein »tückisches« Problem handelt, an dem die sich seit 500 Jahren entwickelnde kapitalistische Moderne aufgrund ihrer institutionellen und kulturellen Strukturen fast zwangsläufig scheitern muss. Die Temperaturen werden also weiter steigen, die sozialen und politischen Auseinandersetzungen werden sich verschärfen. Anpassungsfähigkeit, Resilienz und vor allem solidarisches Handeln sind gefragt. Daraus ergeben sich Aufgaben für eine realistische Klimapolitik.



<p>Jens Beckert, geboren 1967, ist seit 2005 Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und Professor für Soziologie in Köln. Zuvor hat er u. a. in Göttingen, New York, Princeton, Paris und an der Harvard University gelehrt. 2005 wurde er mit dem Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2018 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Für sein Buch<em>Imaginierte Zukunft</em>erhielt er den Karl-Polanyi-Preis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.</p>

2

24 Kapitalistische Moderne


Die gesellschaftlichen Strukturen, die heutiges Handeln in der Klimakrise bestimmen, entstanden während der letzten 500 Jahre. Wirtschaftshistoriker beschreiben, wie sich das Gefüge der kapitalistischen Moderne ab dem späten 15. Jahrhundert in einigen Zentren entwickelte, zunächst langsam, später dann mit atemberaubender Dynamik.1 Knotenpunkte der Produktion, des Handels und der Finanzen bildeten sich etwa in Norditalien, Frankreich, England und den Niederlanden, und sie waren nicht selten bereits global vernetzt. Zugleich blieb agrarisch und lokal geprägtes Wirtschaften für die allermeisten Menschen prägend. Mit der neuartigen Ökonomie kamen sie anfangs allenfalls punktuell in Berührung.2

Ein zentraler Aspekt dieser Frühphase des Kapitalismus war die Ausweitung privater Eigentumsrechte über große Teile der von bäuerlichen Gemeinschaften zusammen genutzten Flächen durch sogenannte Einhegungen. Das zuvor gemeinsam als Allmende bewirtschaftete Land wurde Landbesitzern als Privateigentum zugeschlagen, wodurch große Teile der ländlichen Bevölkerung zu abhängigen Landarbeitern oder zu vagabundierenden Tagelöhnern wurden. Diese standen als Arbeitskräfte den entstehenden Manufakturen und später den Fabriken in den Industriestädten zur Verfügung.3 Die Verfügbarkeit von Lohnarbeit ist eine zentrale Voraussetzun