Die Gartenstadt hatte ihre Mutter den tristen, verlassenen Ort genannt, der sich nun vor Lotte auftat. Mit genau diesem hübschen Wort hatte sie Staaken bezeichnet, als sie eines eisigen Abends im Februar 1945 auf der beschwerlichen Flucht aus Breslau ihrer Tochter mit müder Stimme erstmals vom Wohnsitz ihrer Schwester Gerda in dem Berliner Vorort erzählt hatte. Hier wollten sie sich wieder treffen, sollte der fürchterliche Krieg sie auseinanderreißen. Seit etwa zwanzig Minuten marschierte das sechzehnjährige Mädchen mit dem verfilzten blonden Haar, das ihr über den Kragen eines viel zu weiten, schlammverschmierten Wehrmachtsmantels hing, vor dem einzigen halbwegs intakt gebliebenen Gebäude auf der kleinen Anhöhe des Staakener Veilchenwegs auf und ab wie ein Wachtposten ohne Befehl. Natürlich hoffte sie inständig, dass dies das Haus ihrer Tante war, den benachbarten Wohnhäusern fehlten nämlich Außenwände und Ecken, ganze Zimmer waren herausgesprengt worden. Aus den Schutt- und Trümmerbergen ragten zersplitterte Möbel, angesengte Kleiderhaufen und verbogene Rohre hervor. Ein Bild, das Lottes Weg durch die Hauptstadt genauso begleitet hatte wie der penetrante Geruch nach kaltem Rauch, verbranntem Holz und feuchtem Zement. In fast allen Kleinstädten, durch die sie während der letzten Wochen gekommen war, hatte sie Trümmerberge gesehen, aber das Ausmaß der Zerstörung in Berlin überwältigte und erschlug sie schier. In den Hausruinen und auf den Bürgersteigen hatte Lotte an diesem Tag entsetzlich entstellte und verkohlte Leichen anschauen müssen, und immer dann, wenn sie ein totes Kind entdeckt hatte, hatte sie leise für das a