: Ana Woods
: Rosefield Academy of Arts - The Secrets We Keep Roman
: Piper Verlag
: 9783492606516
: Rosefield Academy of Arts
: 1
: CHF 8.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Eine Eliteuniversität an der Geheimnisse, Intrigen und Rivalitäten auf dem Lehrplan stehen ... Um den mysteriösen Tod ihrer Schwester aufzuklären, bewirbt sich auch Hazel an der Eliteuniversität Rosefield Academy of Arts. Doch als sie dort ankommt, erschweren Intrigen und Rivalitäten unter den Studierenden ihre Suche nach der Wahrheit. Nur zu dem charmanten Tristan spürt sie sofort eine tiefe Verbundenheit, die über ihre Liebe zur Musik hinausgeht. Gemeinsam folgen Hazel und Tristan neuen Hinweisen. Doch als Hazel ein gefährliches Geheimnis lüftet, weiß sie plötzlich nicht mehr, ob sie Tristan trauen kann. Gelingt es ihr, die Wahrheit ans Licht bringen, bevor es zu spät ist?    Ana Woods entführt uns an eine Eliteuni im verregneten England und erzählt eine spannende Liebesgeschichte rund um zwei Menschen, die nicht nur die Liebe zur Musik vereint ... 

Ana Woods hat bereits in jungen Jahren ihr Talent für das Schreiben entdeckt und mit ihren fantasievollen Kurzgeschichten ihre Klassenkameraden verzaubert. Sie lässt ihre Geschichten gerne in den USA spielen, da sie selbst amerikanische Wurzeln hat. Was beim Schreiben nie fehlen darf: eine große Tasse Kaffee und die leisen Klänge ihrer Lieblings-Disneylieder. Gemeinsam mit ihrem Freund lebt sie am grünen Stadtrand von Berlin, wo sie von Inspiration für ihre Geschichten umgeben ist.

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Hazel


Meine Kleidung hing an mir wie ein nasser Sack. Nur mit größter Mühe konnte ich meinen Koffer über den matschigen Untergrund hinter mir herziehen. Wieso musste es auch gerade heute wie aus Eimern schütten? Verflucht sei dieses wechselhafte britische Wetter!

Durch den Regen hatten Schlamm und Geröll die Straße versperrt, die zur Universität führte. Daher hatte der Bus mich nicht den kompletten Weg bringen können. Stattdessen wurde ich an der Kreuzung der verlassenen Hauptstraße rausgeworfen, die eher einem Schotterweg glich, und musste mich die restlichen Meter selbst vorankämpfen. Zu allem Übel lag das Gebäude der Universität auch noch auf einem Hügel, der vom Regen natürlich ebenfalls völlig aufgeweicht war. Wie hätte es auch sonst sein sollen.

Mit der freien Hand hielt ich mir den dunkelbraunen Trenchcoat zu. Mehr aus Reflex, denn der Regen drang nichtsdestotrotz durch jede Ritze. Dabei hatte ich mich extra schick gemacht. Die braunen Haare hatte ich in einen ordentlichen Dutt gebunden und mit goldenen Haarnadeln fixiert und meinen Pony ausnahmsweise sogar geglättet. Nun stand er mir wild zu Berge. Anstatt meiner üblichen weiten Highwaist-Shorts hatte ich mich in ein kariertes Kleid in den Universitätsfarben – beige und bordeauxrot – gezwängt und das Outfit mit einer Wollstrumpfhose und schwarzen Lackschuhen kombiniert.

Dass ich nun wie ein begossener Pudel vor den Rektor treten musste, war leider nicht zu ändern. Trotzdem hoffte ich, dass er mich nicht naserümpfend gleich wieder fortschicken würde. Schließlich war die Rosefield Academy of Arts eine Eliteuniversität, die pro Jahrgang und Studienfach nur eine Handvoll neuer Studenten aufnahm.

Lange Zeit war es mein Traum gewesen, an einem solchen Ort klassische Musik mit Schwerpunkt Klavier zu studieren. Nachdem ich im vergangenen Jahr durch die Aufnahmeprüfung gerasselt war, hatte ich mir für dieses keine Chancen mehr ausgerechnet. Als vor wenigen Wochen dann die Zusage für einen Platz mit Teilstipendium ins Haus geflattert war, hatte ich mein Glück kaum fassen können. Auch jetzt konnte ich es noch nicht so recht glauben. Das würde sich vermutlich erst ändern, sobald der Unterricht am Montag begann.

Weiterhin angestrengt, hievte ich mein Gepäck die letzten Meter die Straße hoch. Ich wich zahlreichen Steinen aus und versuchte, auf dem glitschigen Untergrund nicht wegzurutschen.

Wegen des Starkregens hatte ich das Gebäude von unten kaum erkannt, aber nun, da ich direkt davorstand, war ich ehrfürchtig und aufgeregt zugleich.

Ich schirmte mit der einen Hand mein Gesicht vor dem Regen ab und legte den Kopf in den Nacken. Schon das große Eingangstor, das aufgrund der rechts und links verlaufenden Pilaster dem Barockstil ähnelte, war unglaublich imposant. Der kühle beige Stein war mit unzähligen künstlerischen Verzierungen versehen. Und hoch oben über dem Rundbogen prangte das schildförmige von Rosenranken umrahmte Wappen. Während im Schriftband der Name der Universität zu lesen war, erkannte ich innerhalb des Wappens ineinander verschlungene Ballettschuhe, eine Theatermaske, eine Schere mit Nadel und Faden, Hammer mit Meißel und Musiknoten.

Instinktiv hoben sich meine Mundwinkel. Für einen Moment verdrängte ich sogar die Tatsache, dass ich noch immer mitten im Regen stand. Ich war hier. Hier in Lincolnshire, und stand vor den Toren einer der weltweit renommiertesten Akademien der Künste.

Als der Himmel von grellen Blitzen durchzuckt wurde, die diesen in gleißendes Licht tauchten, atmete ich ein letztes Mal tief durch. Ich passierte das Tor und trat in den weitläufigen Vorgarten, hinter dem sich das u-förmig angelegte Hauptgebäude erstreckte. Die Turmspitzen ragten majestätisch vor der dichten Wolkendecke auf. Der von den Giebeln prasselnde Regen, der hin und wieder von einem dumpfen Donnerschlag durchbrochen wurde, erzeugte einen Klang wie ein Orchester.

Der gepflasterte Mittelweg war von Pfützen durchtränkt. Nur wenige Menschen waren auf dem Außengelände unterwegs. Einige von ihnen suchten unter den Bäumen Schutz. An einem sonnigen Tag musste der Garten unglaublich schön aussehen mit seinen akkurat angelegten Wiesen, die von blühenden Sträuchern und Hecken umsäumt waren, und den Springbrunnen, die sich rechts und links wie Wasserfälle auftürmten. Nun war all dies in ein tristes Grau getränkt, als hätte jemand die Sättigung aus sämtlichen Farben genommen.

Ich beschleunigte meine Schritte. Die kleinen Absätze klackerten auf dem Stein. Das Geräusch war so laut, dass ich das Gefühl hatte, es würde selbst den prasselnden Regen übertönen.

Als ich am Hauptgebäude angekommen war, schlug die Glocke 6 Uhr. Der plötzliche Laut ließ mich zusammenzucken, wobei mir beinahe der Griff meines Koffers entglitt. Zügig huschte ich die zwei Stufen zum überdachten Eingang hoch. Das dunkle Holz der massiven Doppeltür war beängstigend, denn es war das Einzige, was mich noch von meinem neuen Leben trennte. Ein Leben, das ich mir zwar erträumt hatte, es aber wirklich zu leben, war eine ganz andere Hausnummer.

»Komm schon, Hazel, du schaffst das«, sprach ich mir selbst Mut zu, während ich nach der verschnörkelten Klinke griff, die ganz schwer in meiner Hand wog. Ich drückte sie hinunter und öffnete die Tür.

»Pass doch auf, wo du hinläufst«, zischte ein blondes Mädchen in meinem Alter und presste sich an mir vorbei. Dabei peitschte sie mir ihren Pferdeschwanz ins Gesicht. Sie zog die Brauen zusammen und schüttelte ungläubig den Kopf, ehe sie die Stufen hinunterging.

Zu perplex, um zu reagieren, blinzelte ich ein paarmal und schaute ihr hinterher, bis sie mit dem Regen verschmolz. Was bitte war das denn gewesen? Sie hatte schließlichmich angerempelt und nicht andersherum. Ich schluckte gegen die in mir aufkeimende Wut an und trat über die Schwelle. Eine angenehme Wärme hüllte mich ein, und ein sanftes Prickeln überzog meine Haut, als meine zitternden Glieder auftauten.

Das Gebäude war schon von außen imposant gewesen, doch die Eingangshalle übertraf alles. Mit stockendem Atem ließ ich den Blick schweifen und nahm die Architektur des Foyers in mich auf. Den Steinboden zierte ein dunkles Mosaik, das das Universitätswappen darstellte. Von der mit Stuck verzierten Decke baumelte ein funkelnder Kronleuchter, der so alt aussah, wie er vermutlich auch war.

Wenige Studenten huschten an mir vorbei, beachteten mich allerdings nicht. Langsam lief ich weiter auf die breite Treppe zu, die mit einem dicken bordeauxfarbenen Teppich ausgelegt war. Selbst durch meine Sohlen fühlte dieser sich weich und luxuriös an.

Möglichst leise hob ich meinen Koffer auf die erste Stufe. Ich strauchelte von dem Gewicht und das, obwohl die meisten meiner Sachen erst in der kommenden Woche angeliefert wurden. Somit hatte ich nur die nötigste Kleidung für die nächsten Tage und eine der Uniformen eingepackt, die man mir zur Verfügung gestellt hatte.

Glücklicherweise mussten wir diese lediglich zu besonderen Anlässen und an den Prüfungstagen tragen.Um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, hieß es auf der Internetseite. Doch das hatte schon auf meiner Schule in Cardiff nicht funktioniert. Denn nur weil man die gleiche Kleidung trug, war man noch lange nicht gleich. Und es gab immer jemanden, der einem diese Tatsache ständig vor Augen führte.

Das Büro des Rektors lag in der ersten Etage des Nordflügels, in dem sich auch die Fakultät für Bildende Künste befand. Deren Studienangebot umfasste neben Kunstgeschichte auch Malerei, Bildhauerei und Grafik.

Jede Fakultät hatte ihre Unterrichtsräume in einem anderen Flügel, der aus zwei Gebäuden bestand. Diese waren auf jeder Etage durch eine Brücke miteinander verbunden. Die Darstellenden Künste wurden im Westflügel gelehrt, an den auch das Universitätstheater angrenzte.

Für die gestalterischen Fachbereiche wurde vor rund zwanzig Jahren ein neuer Anbau errichtet, und die Fakultät für Musik –...