: Tobias Roth
: Welt der Renaissance: Florenz
: Verlag Kiepenheuer& Witsch GmbH
: 9783462312928
: Italienische Kulturstädte
: 1
: CHF 17.00
:
: Regional- und Ländergeschichte
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Keine Stadt ist so verbunden mit der Blütezeit der Renaissance wie Florenz: die Medici, dramatische Machtkämpfe, staunenswerte Kunst, gefährlich anmutende Bildungsprogramme auch für Frauen, grandiose Literatur und grundlegende Philosophie. Tobias Roth lässt ihre Vertreter in dieser Anthologie zu Wort kommen und porträtiert eine Stadt voller Grandezza und Gewalt, Chaos und Schönheit. Florenz ist sagenhaft reich geworden durch Textilhandel und Kreditgeschäfte. Die Stadt am Arno beherbergt prachtvolle Bibliotheken, ist geprägt von berühmten Künstlern und exotisch anmutenden literarischen Zirkeln - selbst die Herrscher dichten, Kunst und Wissenschaft florieren und sogar das höchste Staatsamt in Florenz ist von 1375 bis 1458 fast durchgängig mit exzellenten Literaten besetzt. Michelangelo, Botticelli, Ficino, Poggio Bracciolini, Leonardo da Vinci, Pico della Mirandola, Donatello, Alberti, Machiavelli - alle waren sie Teil dieses Mikrokosmos einer ganzen Hochkultur.  Tobias Roth führt höchst kenntnisreich und humorvoll durch die Zeit und ihre enormen Turbulenzen. Das Tagebuch des Gewürzhändlers Luca Landucci, ein einmaliger Livebericht von der Straße, bietet Einblicke in den Alltag der Stadt. Es gibt Aufstände, Mordkomplotte und Unruhen - vor allem aber gibt es Gedichte von zeitloser Schönheit, Ideen, die die Welt veränderten, Kunst zum Staunen, grandiose Architektur, Schamlosigkeiten von erschütternder Direktheit, Menschliches-Allzumenschliche in Hülle und Fülle, kurz: eine Blüte des (Geistes-)lebens, die ihresgleichen sucht. 

Tobias Roth, geb. 1985, ist freier Autor, Mitbegründer des Verlags »Das Kulturelle Gedächtnis«, Lyriker und Übersetzer. Roth wurde mit einer Studie zur Lyrik und Philosophie der italienischen Renaissance promoviert. 2020 erschien sein aufsehenerregender Foliant »Welt der Renaissance«. 2023 folgte der erste Band der anschließenden Städtereihe Welt der Renaissance: Neapel, 2024 der zweite Band über die Renaissance in Florenz.

Gleichzeitig mit Brunelleschis 1436 vollendeter Domkuppel wächst und etabliert sich noch etwas anderes, das aus der Gestalt und Geschichte von Florenz nicht wegzudenken ist: die Familie Medici. Ihr Aufstieg von bürgerlichen Bankiers zu hochadligen Großherzögen nimmt gut hundert Jahre in Anspruch und ist ein Schaustück für die Zusammenballung von Macht, die Wirksamkeit von Propaganda, die Bedeutung der Klugheit, für die Verschränkung von Wirtschaft und Politik überhaupt. Entsprechend oft ist diese Geschichte, wie viele Florentiner Geschichten, schon erzählt worden, entsprechend lohnt es sich immer wieder.

Zum Ende des 14. Jahrhunderts hätte wohl niemand auf die Medici gewettet. Verglichen mit den alten Eliten waren sie noch jung, zu jung. Vor allem aber hat sich die Familie im Rahmen einer kurzen Revolution unmöglich gemacht. Etwa eine Generation nach der großen Pest nämlich kommt es zu einer Umwälzung, die ebenso modern anmutet wie die Bankenkrise:Aufstand der Ciompi Die Arbeiterinnen und Arbeiter der Textilindustrie erheben sich. DieCiompi, die die niedrigste Arbeit verrichten und die Wolle kämmen und bearbeiten, bevor sie gesponnen werden kann, fordern nicht nur mehr vom Gewinn, der oben in der Gesellschaft abgeschöpft wird, sondern auch (Selbst-)Organisation. Die untere Schicht (derpopolo minuto) will sich in Zünften zusammenschließen, wie es bisher nur einer mittleren Schicht (dempopolo grasso) und der oberen Schicht der Patrizier (derprimi) gestattet ist. Über die Zünfte wird die politische Teilhabe organisiert: Die Stadtregierung, dieSignoria, wird zu drei Vierteln aus Mitgliedern der siebengroßen Zünfte, zu einem Viertel aus Mitgliedern der vierzehnkleinen Zünfte besetzt. Am 18. Juni 1378 ruft Benedetto degli Alberti vom Balkon des Palazzo della Signoria herabViva il popolo!, und derpopolo minuto kommt, bewaffnet, stürzt gewaltsam die Regierung und setzt den Arbeiter Michele di Lando alsgonfaloniere, also Oberhaupt derSignoria, ein. Eine neu gebildete Regierung macht sich ans Werk und begründet drei neue Zünfte für eine breite Bevölkerungsmasse. Aber auch die hohen Herren aus derArte della Lana reagieren so schnell wie modern, nämlich mitArbeitskampf Aussperrung. Ende Juli ist die Hauptindustrie der Stadt fast völlig stillgelegt, Steuereinnahmen und Brot werden knapp. Neuwahlen werden angesetzt, die Gewaltbereitschaft nimmt zu, Interessenkonflikte im Kreis der Aufständischen treten hervor, und schon am 31. August findet der Umsturz in offener Straßenschlacht ein Ende – Michele di Lando steht da schon gegen die Ciompi. Auch diekleinen Zünfte, die die Ciompi zunächst unterstützt hatten, haben sich recht schnell wieder von ihnen abgewandt, verbünden sich mit dengroßen Zünften und grenzen sich von nun an nur umso schärfer vompopolo minuto ab. Die neuen Zünfte werden wieder geschlossen. Einer der wichtigen Akteure dieses kurzen, aber fulminanten Aufstandes war der Bankier Salvestro de’ Medici, geboren um 1331, der allerdings, wie Vertreter der Alberti und der Strozzi, zunächst auf der Seite des revoltierenden Pöbels steht. Salvestro ist zwar auch an der Zerschlagung des Aufstandes beteiligt, aber nach der erneuten Festigung der Ordnung haben er und seine Familie sich für Führungsaufgaben disqualifiziert: 1382, als die Restauration im Nachgang des Aufstandes abgeschlossen ist, wird er aus der Stadt verbannt.

Ein guter Startpunkt für die Aufstiegsgeschichte. Der dynamische Faktor ist Geld, und das kommt aus einem anderen Zweig der großen Familie Medici, der bisher nicht bedeutend genug war, um von etwaigen Stürmen zerzaust zu werden.Giovanni di BicciGiovanni di Bicci de’ Medici (der Zusatz »di« bezeichnet üblicherweise den Namen des Vaters, hier Bicci) steigt in die römische Filiale des Familienbankhauses ein, das Vieri de’ Medici bis zu seinem Tod 1395 führt. In einer chaotischen, von Kirchenspaltungen und Gegenpäpsten geprägten Zeit setzt Giovanni auf das richtige Pferd bzw. den richtigen Kleriker. Baldassare Co