2. KAPITEL
„Hallo? Geht es Ihnen gut?“
Violet erhob sich schwankend und stellte erschüttert fest, dass sowohl die beiden kleinen Jungen als auch Marcus hinter ihr standen.
Marcus war anzusehen, dass er sich unwohl fühlte. „Du hast die Tür offenstehen lassen. Jordan war sehr besorgt und wollte unbedingt nach dir sehen.“
Sie nickte bloß. Was sonst hätte sie in diesem Moment sagen sollen?Raus hier! Oder:Lass mich in Ruhe! Das hätte sie vielleicht Marcus entgegengeschleudert. Aber seine Söhne machten sich offenbar wirklich Sorgen. Einer der Jungen starrte sie mit ernster Miene an, während der andere das Gesicht verzog, so als ob er auch gleich kotzen müsste.
„Haben Sie etwas Falsches gegessen?“ Das musste Jordan sein, der die Frage stellte. Über seiner mit Sommersprossen gesprenkelten Nase zog sich eine Sorgenfalte über die kleine Stirn. „Oder haben Sie eine Garstitis?“
Violet brauchte eine Sekunde, bis sie verstand, was der Junge meinte. „Ähm, ich denke nicht.“
Sie ging mit vorsichtigen Schritten zum Waschbecken, spülte ihren Mund mit Wasser aus und wusch sich das Gesicht. Der Junge folgte ihr und beobachtete jede ihrer Bewegungen im Spiegel.
„Haben Sie Fieber?“, fragte er dann weiter. „Oder Durchfall?“
„Okay, Doktor Jordan. Lass Miss Cortez-Hill für einen Augenblick in Ruhe.“ Marcus dirigierte seine Söhne Richtung Ausgang. „Entschuldige, dass wir hereingeplatzt sind. Jordan ist ein großer Fan von diesen Krankenhausserien im Fernsehen. Er ist losgestürmt, bevor ich ihn zurückhalten konnte.“
„Danke, dass du nach mir geschaut hast“, erklärte Violet dem Jungen. Sie war zwar zu Tode beschämt, doch die Sorge des Kindes ließ ihr Herz erwärmen.
Nachdem die drei aus der Damentoilette verschwunden waren, zog Violet zum zweiten Mal Lippenstift nach, griff nach einem Minzbonbon aus einem Glas, das eine umsichtige Putzfrau neben dem Waschbecken aufgestellt haben musste, und besah sich im Spiegel. Lidschatten und Haar waren definitiv irreparabel, doch die rasenden Kopfschmerzen ließen endlich nach. Je eher sie Marcus und Teton Ridge entkommen würde, desto besser würde sie sich fühlen. Leider würde dies nicht so bald geschehen, denn die drei warteten draußen auf sie.
„Können Sie sich alleine auf den Beinen halten?“ Jordan rannte mit ausgestreckter Hand auf sie zu.
„Mir wäre auch schwindelig, wenn ich in solchen Schuhen laufen müsste“, stellte Jack mit einem Blick auf ihre Stöckelschuhe fest. „Vielleicht sollten Sie barfuß laufen.“
Violet verkniff sich ein Lächeln. „Ich schätze sehr, dass ihr euch um mich kümmert, aber es geht mir wieder gut. Ehrlich. Ab und zu bekomme ich diese Kopfschmerzen, und dann muss ich mich übergeben.“
„Die nennt man Migräne“, erklärte Jordan. „Die Ursache ist oft Stress.“
„Ist das so schlimm wie eine Lungenentzündung?“, fragte Jack seinen Bruder. „Hoffentlich haben wir uns nicht bei ihr angesteckt!“
Während seine Söhne über ansteckende Krankheiten debattierten, fuhr sich Marcus durch das kurzgeschnittene dunkelblonde Haar. In Violets Erinnerung hatte er damals helle Strähnen gehabt. Nun mischten sich die ersten grauen Strähnen hinein.
„Entschuldige“, sagte er. „Du weißt ja, wie Kinder sind. Sie fragen einem ein Loch in den Bauch.“
Er hatte es nur gut gemeint, doch seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Violet hatte keine Ahnung, wie Kinder so waren. Sie war als Einzelkind aufgewachsen. Und nach dem, was ihr zugestoßen war, hatte sie Kinder in ihrer Nähe gemieden. Es war zu schmerzhaft gewesen. Sie schüttelte bedächtig den Kopf.
„Du musst dich nicht für sie entschuldigen. Es ist süß, dass sie sich Sorgen machen.“ Im Gegensatz zu ihrem Vater, der es