1. KAPITEL
Als Connor McClaine sie das erste Mal sah, las sie in einem Buch.
Die Gäste in seinem Pub lasen oft. Das Tipsy Musketeer befand sich nicht weit vom Campus der Masterson University entfernt, und so war es nicht ungewöhnlich, einem Studenten ein handgezapftes Guinness zu servieren, der Sokrates oder Soziologie studierte.
Diese Leserin war … anders.
In der Stille des Dienstagnachmittags blätterte sie eine weitere Seite um. Die Bewegung ihres Zeigefingers hatte eine faszinierende Anmut, eine einfache Berührung mit leichtem Druck auf das Papier.
Das Buch hielt sie zum Fenster hin geneigt. Der texanische Sonnenschein lag konstant golden auf ihrem braunen Haar. Die elfenbeinweißen Seiten des Buches reflektierten das Licht, sodass sie wie ein Gemälde wirkte. Wunderschön.
Traditionell waren irische Pubs dunkle Zufluchtsorte vor der rauen Außenwelt, und das Tipsy Musketeer war trotz seiner Lage in Zentraltexas so traditionell, wie ein irischer Pub nur sein konnte.
Der jetzige Besitzer Connor McClaine war jedoch einmal gezwungen gewesen, hundertachtzig Tage in einem Raum ohne Fenster zu leben, also standen die grünen Fensterläden des Tipsy Musketeer offen – und zwar dauerhaft.
Das Gebäude mochte historisch sein, aber die Klimaanlage war modern und effizient.
Die Frau las weiterhin, und Connor genoss die Schattierungen von Whiskeybraun in ihrem Haar. Einhundert Brauntöne – so viele verschiedene Farben hatte Rembrandt verwendet, um das Haar einer Frau zu malen. Connor hatte das in einem Buch über Kunstgeschichte gelesen, das er im Regal einer Gefängnisbibliothek gefunden hatte. Seitdem wollte er immer einen echten Rembrandt sehen.
Hier war sie.
Mit einer zierlichen Fingerspitze blätterte sie die Seite um, las und lachte, ein überraschtes Quietschen.
Connor hielt erschrocken inne, weil das Kunstwerk einen Laut von sich gegeben hatte.
Sie erwachte zum Leben, legte das Buch ab, stützte einen Ellbogen auf den Tisch, das Kinn auf die Hand und lächelte über etwas, das sie gelesen hatte.
Connor hatte das brennende Verlangen, mehr zu erfahren über …
Über …
Nicht über sie, natürlich. Er kannte Frauen wie sie – gebildet, friedlich, gut aussehend. Frauen, die ein ruhiges Leben führten. Frauen, denen nie Fenster und Tageslicht verwehrt wurden. Frauen außerhalb seiner Liga, zum Glück für sie.
Er missgönnte ihnen ihr schönes Leben nicht. Schließlich hatten sie ihm nichts getan, und die Welt wäre ein düsterer Ort, wenn jeder aus der gleichen Dunkelheit käme wie er.
Er könnte zu ihr gehen und sie fragen, ob sie etwas brauchte. So würde er das Buchcover sehen und etwas über sie erfahren. Wenn er später dasselbe Buch läse, wüsste er noch mehr über sie und könnte versuchen, zu erraten, auf welcher Seite, bei welchem Absatz sie gelacht hatte.
Ihr Lächeln verblasste. Mit einem Finger schob sie das Buch ein paar Zentimeter von sich.
Ah, er wusste schon. Er verstand dieses Gefühl. Ein Buch konnte einen an einen anderen Ort entführ