1903 war ein gutes Jahr im Leben des Adolf Lorenz. Der Mediziner war in diesem Jahr auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt und endgültig zu einem internationalen Star seiner Profession aufgestiegen. Seine revolutionären Behandlungsmethoden wurden nicht nur in der Reichs- und Residenzhauptstadt Wien geschätzt, wo er seine Ordination hatte, sondern weit darüber hinaus. Aber auch abseits seiner medizinischen Karriere trugen sich für den 49-Jährigen erfreuliche Dinge zu: Im Sommer 1903 weilte der Orthopäde gerade in Chicago, um die Nachuntersuchung bei einer im Vorjahr von ihm operierten Millionärstochter vorzunehmen. Völlig unerwartet erreichten ihn private Neuigkeiten, übermittelt von seinem Schwager aus Wien: Emma, seine Frau, erwarte ein zweites Kind. Die Überraschung war deshalb so groß, weil die Familie zunächst jahrelang auf diesen Augenblick gewartet und dann jede Hoffnung aufgegeben hatte: Der erstgeborene Sohn war mit 18 Jahren schon ein junger Mann und die werdende Mutter war bereits 42 Jahre alt.
In die Freude über das mögliche zweite Kind mischte sich schnell berechtigte Sorge. Dem Mediziner war das Risiko einer so späten Schwangerschaft bewusst. Nach einiger Überlegung sah er dennoch keinen Grund, seinen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten abzubrechen und heimzureisen. Die Dinge sollten ihre