: Hannes Riffel
: Vor der Revolution Ein phantastischer Almanach
: Memoranda Verlag
: 9783910914094
: 1
: CHF 12.70
:
: Science Fiction
: German
: 278
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dieser Almanach stellt das vielfältige Programm des Carcosa Verlages vor und präsentiert unsere Autor:innen in ihrer ganzen Einzigartigkeit. Unter anderen schreiben begeistert: Helmut W. Pesch über Leigh Brackett, Julie Phillips über Ursula K. Le Guin, Christopher Ecker über Gene Wolfe, Clemens J. Setz über Samuel R. Delany und Dietmar Dath über Alan Moore. Drei neu übersetzte Erzählungen von Ursula K. Le Guin bieten einen fulminanten Einstieg in das Werk einer der bedeutendsten Autorinnen unserer Zeit. Der Kurzroman 'Imperiumsstern' von Samuel R. Delany erzählt von einer abenteuerlichen Reise durch die Tiefen des Weltraums - und knüpft gleichzeitig eine metafiktionale Verbindung zu seinem preisgekrönten Roman 'Babel-17'. Und natürlich erfahren wir, in einer neu übersetzten Kurzgeschichte von Ambrose Bierce, was es mit dem rätselhaften Namen 'Carcosa' auf sich hat ...

Hannes Riffel (*1966) war u.a. für Argument, Klett-Cotta und S. Fischer als Lektor und Programmleiter tätig und verdeutscht seit dreißig Jahren angloamerikanische Literatur mit dem Schwerpunkt Phantastik. Als Herausgeber und Übersetzer wurde er viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in der goldenen Mitte zwischen Hamburg und Berlin.

Ambrose Bierce

Ein Einwohner von Carcosa

Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Riffel

Jedes neue Projekt, das mit dem Wagemut unseres kleinen Verlages – dem Wagemut jedes unabhängigen Verlages – in die Welt tritt, bedarf einer schirmenden Gestalt, die ihre schützende Hand über das Werken und Wirken hält. Wir haben uns dazu jene geheimnisvolle Erscheinung auserkoren, die in Ambrose Bierce’ verblüffender kleiner Geschichte aus den Schatten tritt, um dem Ich-Erzähler die Sinne zu verwirren …

Denn es gibt unterschiedliche Spielarten des Todes – bei manchen bleibt der Leib erhalten, bei anderen entschwindet er zusammen mit dem Geist. Dies geschieht für gewöhnlich nur in Abgeschiedenheit (so ist der Wille Gottes), und da niemand das Ende miterlebt, sprechen wir davon, jener habe sich verirrt oder sei auf eine lange Reise gegangen – was durchaus zutrifft; aber manchmal geschieht es vor aller Augen, wie mehr als genug Zeugnisse belegen. Bei einer Todesart stirbt auch der Geist, und das geschieht, wie wir wissen, bisweilen sogar dann, wenn der Leib noch viele Jahre bei Kräften ist. Mitunter stirbt er, wie fürwahr bezeugt ist, mit dem Leib, wird dann aber, nach Ablauf einer Jahreszeit, an dem Ort wiedererweckt, wo der Leib verweste.

Während ich über diese Worte Halis nachgrübelte (möge Gott ihm Frieden schenken) und mich mühte, ihre Bedeutung zu ergründen, wie jemand, der eine Vermutung hegt, sich jedoch fragt, ob nicht doch etwas anderes dahintersteckt als das, was er herauslas, bemerkte ich nicht, wohin es mich verschlagen hatte, bis mich eine plötzliche kalte Bö im Gesicht traf und in mir wieder den Sinn für meine Umgebung weckte. Voller Erstaunen stellte ich fest, dass diese mir vollkommen fremd war. Überall um mich her erstreckte sich eine ebenso einsame wie trostlose Ebene, die mit hohem, vertrocknetem Gras bedeckt war, das im Herbstwind raschelte und pfiff und dabei weiß der Himmel was für geheimnisvolle und beunruhigende Andeutungen machte. In größeren Abständen ragten seltsam geformte und düster gefärbte Felsen auf, zwischen denen ein Einverständnis zu bestehen schien, denn sie wechselten bedeutungsvolle Blicke, als hätten sie die Köpfe gehoben, um einem Ereignis beizuwohnen, das sie vorhergesehen hatten. Einige verdorrte Bäume führten hier und da, erwartungsvoll schweigend, diese arglistige Verschwörung an.

Der Tag war offenbar schon weit fortgeschritten, wenngleich sich die Sonne nicht zeigte; und obschon ich die raue und kalte Luft durchaus spürte, war mir diese Tatsache eher geistig denn körperlich bewusst – ich empfand kein Missbehagen. Über der ganzen trostlosen Landschaft hing, gleich einem sichtbaren Fluch, eine niedrige bleierne Wolkendecke. Alldem wohnte eine Bedrohung inne, eine dunkle Vorahnung – eine Andeutung des Bösen, ein finsteres Verhängnis. Vögel, Tiere oder Insekten gab es keine. Der Wind seufzte in den nackten Zweigen der toten Bäume, und das graue Gras bog sich, um sein schreckliches Geheimnis der Erde zuzuflüstern. Kein anderes Geräusch, keine andere Regung durchbrach die entsetzliche Ruhe dieses trostlosen Ortes.

Im Gras entdeckte ich eine Reihe verwitterter Steine, die offenbar von Hand bearbeitet worden waren. Sie waren geborsten, mit Moos