: Christian Schneider
: Das Ende vom Paradies Roman
: Domowina Verlag
: 9783742023353
: 1
: CHF 8.90
:
: Erzählende Literatur
: German
: 616
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Inmitten der Oberlausitz, am Heiderand versteckt, liegt eine idyllische Fünf-Häuser-Siedlung, die 'Paradies' genannt wird. Dort wohnt der sorbische Bauunternehmer Paul Schuster mit seiner Frau, seiner zweiten, und er könnte den wohlverdienten Ruhestand genießen, stünde da nicht als bitteres Fazit: 'Alles falsch gemacht im Leben'. Gedrängt von seinem Sohn, verbringt Schuster seine alten Tage damit, sich an das Erlebte zu erinnern. Christian Schneider fügt die Erinnerungen des Vaters und die des Sohnes zu einem dokumentarischen Epochenroman, der sich dem Leben einer Familie über drei Generationen widmet, ausgehend vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in dessen 80er Jahre. Bewegend schildert er all die Wirren, die die Schusters durchlebt haben. Das Einbeziehen historischer Ereignisse macht den Roman zu einem lebendigen Zeugnis der jüngeren Geschichte.

- * 1938 in Lömischau, lebt in Grubschütz - Journalistik- und Agrarstudium, war als Redakteur und Chefredakteur der obersorbischen Kinderzeitschrift 'P?omjo' und als Verlagslektor tätig, - - freier Schriftsteller - Schriftsteller

Prolog


Lasst mich in Ruhe! Es hörte sich an, als hätte eine Frau geschrien. Aber es war keine Frauenstimme, es war die Stimme von Paul Schuster, auch Zement-Schuster genannt. Eigentlich war er immer darauf bedacht, mit gesetzter, mit männlicher Stimme zu sprechen, doch wenn ihn Ärger übermannte, vergaß er es. So auch an diesem Morgen.

Für eine Weile blieb alles still, bis dann wieder das Klopfen zu hören war, das Schlagen der Schreibmaschinentypen auf die Walze seiner Rheinmetall. Seine Frau, die zweite in seinem Leben, war nach dem Schrei in die Küche geflohen. Sie hatte ihn gefragt, was er zum Frühstück haben möchte. Mehlsuppe – was ihm am liebsten war – oder vielleicht ein Ei? Sie wusste: Wenn er morgens zeitig aufsteht und ohne zu frühstücken die schwere Breitwagenschreibmaschine auf den Tisch stellt, ist mit ihm schwer auszukommen. Dann hämmert er all das, was ihn in der Nacht nicht schlafen ließ, in die Tasten.

Er hatte seine zweite Frau beim Kirchentag der evangelischen Sorben in Malschitz, ihrem Geburts- und Wohnort, angesprochen, hatte unverhofft neben ihr Platz genommen. Sie, seit Kriegszeiten Witwe, hielt ihn, der so plötzlich neben ihr saß, für einen Spaßvogel. Was er da redete, konnte sie nicht ernst nehmen.

Es roch schon nach Kaffee im Saal, da sagte er ihr mit verschmitztem Lächeln: Meine liebe Nachbarin, Sie könnten meine Königin sein! Wenn wir beide den Willen hätten, könnten wir beide im Paradies leben. Sie werden Königin sein, ich der Diener, der sich um alles kümmert, was zum Leben im Paradies gehört. Ich habe vorgesorgt. Namaj – er hätte es nicht anders über die Zunge gebracht, als im Dual mit ihr zu sprechen. Wenn es um zwei Personen geht, um zwei Dinge, zwei Tätigkeiten, zwei Eigenschaften, dann wird im Sorbischen nicht wie im Deutschen in der Mehrzahl gesprochen, sondern in der Zweizahl: Es wird uns beiden an nichts fehlen.

Paul Schuster wird sie wohl schon längere Zeit im Auge gehabt haben – die schlanke Frau mit den dunkelbraunen Augen. Die Leute aus ihrem Dorf warnten sie: Ins Paradies? Du wirst doch nicht da runter in die Heide ziehen, bleib was du bist! Sie hatte nach dem Krieg gesiedelt, war alleinstehende Bäuerin gewesen. Dann war sie als eine der Ersten in die Genossenschaft eingetreten und hatte im Kälberstall gearbeitet. Und bedenke: Über ihn wird so manches geredet. Er verliert schnell die Fassung und soll überhaupt ein Mensch sein, mit dem nicht leicht auszukommen ist! Seine Frau ist ihm davongelaufen. Frag ihn doch mal, warum sie sich von ihm scheiden ließ!

Nicht sie hat sich von ihm scheiden lassen, hat sie den Leuten geantwortet, er hat sich von ihr getrennt. Und das ist wohl ein Unterschied. Sie und seine Kinder haben ihn ausgenutzt, bis es nicht mehr ging.

Worüber sie mit niemandem sprach, war das Papier, das er ihr übergeben hatte, handgeschrieben und von einem Notar gestempelt. Er werde ihr als Schenkung sein Vermögen überlassen – falls er früher als sie sterben sollte, schließlich sei sie ja zehn Jahre jünger als er. Ich gebe Dir alles, was ich habe, meinen Kindern und der Ersten nichts mehr! Sie haben es nicht verdient.

Am Tag ihrer Umsiedlung ins Paradies, an einem Dienstagvormittag Ende September 1969, schien die Sonne, als wollte sie den Sommer zurückholen. Sie schic