Kapitel 1 - Alltagshass
Ich schaue auf und sehe im Spiegel unseres Badezimmers, zwischen Zahnpastaspritzern und Sprenkeln, von denen ich nicht mal wissen will, woher sie stammen, wie meine rechte Augenbraue zuckt.
„Irgendwann bringe ich ihn um“, grolle ich zähneknirschend, nehme Robs nasse Zahnbürste von meiner Mahagoniablage und feuere sie mit Schmackes in das mit Bartstoppeln übersäte Waschbecken. „Mann! Wann haben wir darüber gesprochen?Gestern?“
Angeekelt lege ich ein Blatt Klopapier auf die weiße Schleimpfütze, um diese grob aufzusaugen, doch die Spritzer auf dem erst vorgestern gründlich geputzten Spiegel kann ich damit nicht wegwischen, sonst ist der nachher voller Schlieren. Wütend stapfe ich also aus dem Bad, steuere den Abstellraum an und schnappe mir dort das Glasreinigerspray, zwei Mikrofaserlappen und die Packung mit den Holzpflegetüchern, aus welcher ich eines bereits auf dem Rückweg unwirsch herausrupfe. Zurück im Badezimmer reiße ich das Klopapier weg und rubble wie ein Bekloppter auf dem Fleck herum.
‚Wie oft muss ich ihm eigentlich noch sagen, dass er weder Zahnputzbecher noch Zahnbürste, seinen Waschlappen oder sonst irgendwas auf der Holzleiste liegen lassen darf? Hundert Mal? Tausend Mal? Das gibt Flecken, verdammt! Ist das denn so schwer zu verstehen?‘
Fast schon beschwörend kreise ich mit dem Pflegetuch die Ränder nach und bete, dass die Feuchtigkeit noch nicht zu tief ins Holz eingezogen ist.
‚Gerade erst letztes Wochenende habe ich die gesamte Ablage abgeschliffen und neu geölt, weil sie schon voller heller Ringe, Kleckse und Spritzer war! Und jetzt, nicht mal drei Tage später, geht derselbe Mist von vorne los?‘
Der Fleck ist nun einheitlich dunkel und noch immer deutlich sichtbar. Erst wenn er getrocknet ist, wird sich zeigen, ob sich das Holz dauerhaft verfärbt hat. In der Zwischenzeit spüle ich noch schnell das Waschbecken aus und befreie es von den abrasierten Borsten, die so wüst herumliegen, als hätte Rob sie mit einem Pfefferstreuer verteilt. Beim anschließenden Putzen des weiß gerahmten Barockspiegels rümpfe ich die Nase, denn dieser eine eklige, gelbe Spritzer braucht sage und schreibeneuneinhalb Umkreisungen, bis er sich endlich von dem dreifach geschliffenen Glas löst. Sobald ich dieses nachpoliert habe, fahre ich herum, öffne die gewissenhaft gewienerte Hochglanzanrichte zur Rechten und hole aus meinem akribisch sortierten Kleingerätefach einen Föhn heraus. Auf moderater Stufe lasse ich dessen wärmenden Luftstrahl über die immer noch feuchte Holzablage kreisen und grummle dabei weiter vor mich hin.
‚Wahrscheinlich glaubt er, es macht mir Spaß, ihm ständig hinterher zu putzen! Als wenn ich nichts Besseres zu tun hätte! Da warten mindestens zwanzig E-Mails in meinem verdammten Postfach. Die Blumenbestellung der Schröders steht auch noch aus und die Blaskapelle wartet seit acht Uhr auf Rückruf! Aber scheiß drauf, ist ja nur mein lästiger Job, von dem ich die Hälfte der Kreditrate bezahle!‘
Ganz ehrlich, ich verstehe, dass nicht jeder so ein vorausschauender und sorgfältiger Saubermann sein kann, wie ich es bin, und ja,vielleicht bin ich auch ein ganz kleines bisschenpingelig ... Aberverfluchte Scheiße noch eins, muss man sich denn jeden Morgen verhalten wie einegehirnamputierte Drecksau, bevor man zur Arbeit fährt?
Ja, seitdem Rob das Tattoostudio seines alten Chefs übernommen hat, steht er früher auf als ich und hat dadurch auch deutlich mehr Stress, weil er den Laden aufschließen muss. Trotzdem darf ich doch wohl einMindestmaß an Umsicht erwarten!
Als das Holz trocknet und aufhellt, stelle ich erleichtert fest, dass ich glücklicherweise schnell genug gehandelt habe. Ein minimaler Schatten ist zwar noch zu sehen, aber mit dem kann ich gerade so leben. Beruhigt schalte ich den Föhn aus und stemme die Hände in die Hüften, dann atme ich einmal tief durch, denn sonst hab ich das Gefühl, jeden Moment innerlich zu platzen.
‚Ich muss ihn umbringen ... ja. Das ist die einzig logische Konsequenz! Er wird es nicht lernen, niemals, und wenn ich mir noch hundertmal den Mund fusselig rede! ... Ob es wohl geschmacklose Pestizide gibt? Ich muss ja wegen der Schröderblumen sowieso noch zu Pflanzen-Kölle ...‘
Selbstverständl