: Leigh Brackett
: Das lange Morgen Roman
: Memoranda Verlag
: 9783910914056
: 1
: CHF 15.20
:
: Science Fiction
: German
: 284
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Len Colter und sein Vetter Esau wachsen in einer Welt auf, die sich von der unseren grundlegend unterscheidet: Nach einem Atomkrieg, der sämtliche Städte zerstörte, wurde die Verfassung der Vereinigten Staaten um einen Zusatzartikel erweitert, der es den Menschen nur noch gestattet, in kleinen Dörfern zusammenzuleben. Das ganze Land ist von religiöser Demut geprägt und von einfachsten agrarischen Verhältnissen. Die beiden jungen Burschen wollen sich damit jedoch nicht zufriedengeben. Nachdem Len und Esau auf ein technisches Wunderwerk stoßen, das ihnen ein anderes Leben verspricht, machen sie sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen, kulturell hochentwickelten »Bartorstown« - und entdecken eine Welt, in der im Ringen mit der Vergangenheit über die Zukunft entschieden wird. Ein in seiner pastoralen Schlichtheit überwältigender Roman, der uns, bei aller Ambivalenz, vor Augen führt, was wirklich wichtig ist.

Leigh Brackett (1915-1978) zählt zu den Vorreiterinnen anspruchsvoller wie abenteuerlicher Science Fiction im angloamerikanischen Raum. Als »Königin der Space Opera« hat sie ganze Generationen von Autor:innen maßgeblich beeinflusst. Darüber hinaus war sie eine der erfolgreichsten Drehbuchautor:innen ihrer Zeit.

1

Len Colter saß an der Wand des Pferdestalls im Schatten, aß Maismehlbrot mit süßer Butter und erwog, eine Sünde zu begehen. Er war vierzehn Jahre alt, und er hatte sie alle auf der Farm in Piper’s Run zugebracht, wo es wohltuend selten Gelegenheiten gab, ernsthaft zu sündigen.

Aber jetzt war Piper’s Run mehr als dreißig Meilen weit weg, und er blickte in eine Welt, die ihn mit grellbunten Versprechungen lockte. Er war auf dem Jahrmarkt in Canfield. Und zum ersten Mal in seinem Leben musste Len Colter eine wichtige Entscheidung treffen.

Und die fiel ihm sehr schwer.

»Pa wird mich windelweich prügeln«, sagte er, »wenn er das rausfindet.«

Vetter Esau sagte: »Haste Schiss?« Vor drei Wochen erst war er fünfzehn geworden, also musste er nicht mehr mit den Kindern zur Schule gehen. Er war noch ein ganzes Stück davon entfernt, zu den Männern gezählt zu werden, aber es war ein bedeutender Schritt, und Len war entsprechend beeindruckt. Esau war größer als Len, und er hatte dunkle Augen, die fortwährend leuchteten und funkelten wie die Augen eines ungezähmten Füllens, stets auf der Suche nach etwas, ohne es je zu finden, vielleicht weil er noch nicht wusste, wonach er suchte. Seine Hände waren ruhelos und äußerst geschickt.

»Na?«, wollte er wissen. »Haste?«

Len hätte am liebsten gelogen, aber er wusste, dass sich Esau keine Sekunde würde täuschen lassen. Er wand sich ein wenig, aß den letzten Brocken Brot, lutschte die Butter von den Fingern und sagte: »Ja.«

»Ach«, sagte Esau. »Ich dachte, du wirst langsam erwachsen. Du hättest dieses Jahr noch mal mit den Knirpsen zu Hause bleiben sollen. Vor Prügel Angst haben!«

»Ich hab oft genug Prügel bezogen«, sagte Len, »und wenn du meinst, Pa könnte nicht zulangen, kannst du es ja mal selbst versuchen. Die letzten beiden Jahre hab ich nicht mal geheult. Na ja, jedenfalls nicht viel.« Er versank in Nachdenken, die Knie hochgezogen, die Arme darüber verschränkt, das Kinn auf die Arme gestützt. Er war ein schlanker, gesunder Junge mit eher ernsthafter Miene. Er trug selbstgenähte Hosen und feste, von Hand genagelte Stiefel, die mit einer dicken Staubschicht bedeckt waren, und ein Hemd aus grober Baumwolle mit einem engen Halsbund und ohne Kragen. Sein Haar war hellbraun und über den Schultern und den Augen gerade geschnitten. Auf dem Kopf trug er einen breitkrempigen braunen Hut mit flacher Krone.

Lens Familie gehörte zu den Neu-Mennoniten, und diese trugen braune Hüte, um sich von den ursprünglichen Alt-Mennoniten zu unterscheiden, die schwarze Hüte trugen. Früher, im zwanzigsten Jahrhundert, vor kaum zwei Generationen, hatte es nu