: H. P. Lovecraft
: In der Gruft und andere makabre Erzählungen
: Suhrkamp
: 9783518778340
: 1
: CHF 25.00
:
: Fantastische Literatur
: German
: 218
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Lovecrafts wesentlichste Geschichten gehören dem Cthulhu-Mythos an, einem nur lose und keineswegs konsistent entworfenen Konstrukt kosmischen Schreckens, das mehr durch die Kraft der Heraufbeschwörung von Gefühlen des Abscheus und des Ekels als durch logische Konstruktion überzeugt und in seinen äußeren Formen ebenso archaisch ist wie modern in der Totalität der kosmischen Bedrohung.



<p>Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island geboren und starb am 15. März 1937 ebenda. Im Alter von acht Jahren verlor er seinen Vater. Er wurde fortan hauptsächlich von seiner Mutter, seinem Großvater und zwei Tanten aufgezogen und zeigte bereits früh literarische Begabung. Als Kleinkind lernte er Gedichte auswendig und begann im Alter von sechs Jahren, eigene Gedichte zu schreiben. Sein Großvater unterstützte diese Neigung und erzählte ihm selbsterfundene Horrorgeschichten. 1914 wurde Lovecraft Mitglied einer Vereinigung von amerikanischen Hobbyautoren, deren Ziel es war, durch Kongresse den Austausch unter den Autoren zu fördern. Dieser Austausch mit Gleichgesinnten verlieh Lovecraft neuen Schwung: Die Kurzgeschichten<em>The Tomb</em> und<em>Dagon</em> rstanden in dieser Zeit. 1924 heiratete Lovecraft die sieben Jahreältere jüdische Ukrainerin Sonia Greene. Einige Jahre später einigten sich die getrennt lebenden Sonia Greene und Lovecraft auf eine einvernehmliche Scheidung, die jedoch nie rechtswirksam vollzogen wurde. Lovecraft kehrte zurück nach Providence und lebte dort wieder mit seinen Tanten. Dieser letzte Abschnitt seines Lebens war der produktivste. Nahezu sämtliche seiner bekannten Erzählungen, wie<em>Der Fall Charles Dexter Ward</em> oder<em>Berge des Wahnsinns</em> stammen aus dieser Zeit. 1936 wurde bei Lovecraft Darmkrebs diagnostiziert. Bis zu seinem Tode ein Jahr später litt er an ständigen Schmerzen und Unterernährung.</p>

In der Gruft


Es gibt, meiner Meinung nach, nichts Absurderes, als jene landläufige Assoziation des Deftigen mit dem Bekömmlichen, von der die Mentalität der Menge durchtränkt zu sein scheint. Man erwähne nur eine bukolische Yankee-Kulisse, einen stümperhaften und dickfelligen Leichenbesteller und ein achtloses Mißgeschick in einer Gruft, und kein Durchschnittsleser kann dahin gebracht werden, mehr zu erwarten als ein derbes, obgleich groteskes Stück Komödie. Doch bei Gott, die prosaische Geschichte, die mir George Birchs Tod zu erzählen erlaubt, birgt Aspekte, neben denen sich einige unserer dunkelsten Tragödien licht ausnehmen.

Birch zog sich eine Behinderung zu und wechselte 1881 den Beruf, sprach jedoch nie über den Vorfall, wenn er es vermeiden konnte. Und sein alter Arzt, der vor Jahren verstorbene Doktor Davis, auch nicht. Die allgemeine Erklärung lautete damals, daß das Leiden und der Schock von einem unglücklichen Versehen herrührten, wodurch Birch sich selbst neun Stunden in der Leichenkammer des Peck Valley Friedhofs eingeschlossen hatte, aus der er nur durch krude und verheerende mechanische Hilfsmittel entkam; und wenn soviel auch unzweifelhaft stimmte, gab es doch andere und schwärzere Dinge, die mir der Mann im Säuferdelirium seines nahenden Endes zuflüsterte. Er vertraute sich mir an, weil ich sein Arzt war und weil er wahrscheinlich das Bedürfnis verspürte, sich nach Davis Tod jemand anderem anzuvertrauen. Er war Junggeselle und ohne jede Verwandte.

Birch war vor 1881 der Leichenbesteller des Dorfs Peck Valley gewesen und, wie diese Sorte Mensch nun mal ist, ein recht abgebrühtes und primitives Individuum. Die ihm in meinem Beisein zugeschriebenen Praktiken wären heute, zumindest in einer Stadt, undenkbar; und sogar Peck Valley würde ein wenig geschaudert haben, hätte es um die lockere Moral seines Begräbniskünstlers hinsichtlich solcher Fragen gewußt, wie z. B. des Eigentumsrechts an unter dem Sargdeckel verborgener, teurer »Aufbahrungs«-Garderobe und des zu wahrenden Grads an Würde beim Arrangieren und Einpassen der unsichtbaren Glieder lebloser Inwohner in nicht immer mit höchster Akkuratesse berechnete Behältnisse. Birch war ganz unzweideutig lax, empfindungslos und einschläg