: Kent Nerburn
: Bernd Wollsperger
: Das Mädchen, das zu den Büffeln sang Ein Kind, ein Ältester und das Licht eines alten Himmels
: Books on Demand
: 9783758384462
: 1
: CHF 5.80
:
: Nord- und Mittelamerika
: German
: 526
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Ein eindringlicher Traum, der nicht nachlassen will, entführt den Autor Kent Nerburn zurück in die verborgene Welt der amerikanischen Ureinwohner, wo Träume eine Bedeutung haben, Tiere Lehrer sind und'die Alten' immer noch über Kräfte verfügen, die unser Verständnis übersteigen. In dieser bewegenden Erzählung reisen wir durch die Länder der Lakota und der Ojibwe, wo wir auf ein seltsames kleines Mädchen mit einer beunruhigenden Verbindung zur Vergangenheit treffen, auf eine vergessene Anstalt, die die Geschichte zu verbergen versucht hat und auf die komplexen, unvergesslichen Charaktere, die wir in'Weder Wolf noch Hund' und'Der Wolf in der Dämmerung' kennengelernt haben. Teils Geschichte, teils Mysterium, teils spirituelle Reise und Lehrgeschichte:'The Girl Who Sang to the Buffalo' steckt voller tiefgreifender Einblicke in die Menschheit und die Kultur der amerikanischen Ureinwohner, die wir von Nerburns Reisen erwarten. Wie der American Indian College Fund festgestellt hat, kann man'die Welt oder die Menschen nie wieder mit den gleichen Augen betrachten', wenn man einmal Nerburns mitreißende Erinnerungen an die Hochebenen Amerikas und seine prägnanten Einblicke in das menschliche Herz kennengelernt hat.

Kent Nerburn, Ethnologe und Theologe, arbeitete zunächst als Bildhauer, bevor er durch ein Oral-History-Projekt in der Red Lake Ojibwe Reservation zum Schreiben kam. Inzwischen hat er 16 Bücher veröffentlicht, vor allem über die Kultur der amerikanischen Ureinwohner, und hat u.a. zweimal den Minnesota Book Award erhalten.'Nicht Wolf nicht Hund' wurde 2017 mit großem Erfolg verfilmt. Nerburn lebt heute mit seiner Frau in der Nähe von Portland, Oregon.

ERSTER TEIL
VERGESSENE GEHEIMNISSE


KAPITEL 1 - EIN SCHREI IN DER NACHT


Es war Frühlingsanfang, als die Träume begannen.

Es waren keine gewöhnlichen Träume. Sie hatten nichts von jener Unwirklichkeit, die die Nacht vom Tag trennt. Ihre Farben hatten die Farben des Sonnenlichts, ihre Geräusche klangen so real wie das tägliche Leben. Ich erwachte aus ihnen mit klopfendem Herzen und schwitzenden Handflächen und wusste nicht, wo der Traum aufhörte und die wache Welt begann.

Aber da war noch etwas anderes. Es waren immer dieselben: Dans Schwester Yellow Bird mit ihrem kleinen Topfhaarschnitt, die in einem verblichenen weißen Kleid vor einem monolithischen roten Backsteingebäude stand; an ihrer Seite Mary, die alte Frau, die ich besucht hatte, als ich auf der Suche nach ihr war.

Mary lächelt mich an. Ich sehe die Falten in ihrem Gesicht und die gelben Flecken auf ihren Zähnen. Sie beginnt zu sprechen, aber es kommen keine Worte aus ihrem Mund. Yellow Bird starrt mich mit stummen, ausdruckslosen Augen an. Sie dreht sich um und geht auf ein Feld zu, das mit großen Felsbrocken oder Heuballen bedeckt ist. Von ihnen steigt Dampf in die Nacht auf. Ein Gefühl des Grauens überkommt mich. Ich rufe sie, aber sie antwortet nicht.

Mary lächelt weiter. Sie zeigt auf Yellow Bird, die in dem nebelverhangenen Feld verschwindet. Ich rufe weiter, aber Yellow Bird hört mich nicht. Mary streckt ihre knochige Hand nach mir aus. Sie gestikuliert immer wieder in Richtung Yellow Bird und nickt. Ich will ihr nachrennen, um sie zu fangen, aber ich kann nicht. Yellow Bird dreht sich zu mir um und sieht mir direkt in die Augen. Sie winkt mir und bedeutet mir, ihr zu folgen, während sie im Feld verschwindet.

Dann wache ich auf.

Mary und Yellow Bird waren Teil einer traurigen und ergreifenden Episode in meinem Leben gewesen.

Zwanzig Jahre zuvor hatte ich mit Schülern des Red Lake Ojibwe Indianerreservats in den Kiefernwäldern von Nord-Minnesota zwei Bücher über mündliche Überlieferungen verfasst. Diese Bücher,To Walk the Red Road undWe Choose to Remember, waren auf den Powwow-Zirkeln durch das Land gereist und in den Händen vieler Menschen gelandet. Einer dieser Menschen war ein Lakota-Ältester namens Dan, der in einem Reserv