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DAS ERSTE TREFFEN
»Ms Miller.«
Beim Aufruf meines Namens springe ich auf. Ich eile quer durch die Zeitarbeitsagentur und bleibe vor meiner Bearbeiterin stehen, einer Frau um die vierzig in einem dunkelblauen Kostüm, das meinem gar nicht unähnlich ist.
»Hi«, sage ich und klinge so unbeholfen und nervös, wie ich mich – erstmals in meinem Leben arbeitslos – fühle.
Meine Begrüßung trägt mir eine schnelle Inspektion von Kopf bis Fuß ein, die meine bereits zermürbten Nerven flattern lässt. Die Bearbeiterin richtet den Blick auf mich und fragt: »Was kann ich für Sie tun?« Und ihr gereizter Ton besagt, dass ich bei ihrer Sechzig-Sekunden-Einschätzung durchgefallen bin.
»Ich bin Ms Miller«, antworte ich und versuche, sie für mich zu gewinnen. »Aber bitte, Sie können mich Kali nennen.«
Ihre Lippen zucken und sagen mir, dass sie von meinem Angebot nicht gerade angetan ist. Stattdessen schaut sie über ihre Nase, die so gerade ist wie das lange brünette, im Nacken zusammengebundene Haar glatt, und wiederholt förmlich: »Ms Miller. Ich bin Ms Williams, Ihre Jobberaterin. Folgen Sie mir.«
Ms Williams stürmt durch einen schmalen Flur, und ich hechele hinter ihr her, genauso wie ich dem Reporterjob bei derVegas Heat hinterhergehechelt bin – vergebens, denn er löste sich in Luft auf, bevor ich überhaupt mit der Arbeit begonnen hatte. Sie verschwindet in einem Büro, und ich folge ihr, streiche eine Strähne meines langen, blonden Haares zurück, das sich plötzlich so zerzaust anfühlt wie das neue Leben, auf das ich gesetzt habe.
Ms Williams nimmt hinter einem einfachen Holzschreibtisch Platz und bedeutet mir, mich auf den dunkelroten, stoffbezogenen Besucherstuhl zu setzen. Ich lasse mich auf dem Stuhl nieder, der genauso gut das Etikett tragen könnte: FÜR VERZWEIFELTE, ARBEITSLOSE MENSCHEN, ziehe den Rock sittsam Richtung Knie und beobachte, wie Ms Williams meine Papiere studiert. Quälend lang.
Sie schaut zu mir auf, und das skeptische Blitzen in ihren Augen – real oder aufgrund meiner Unsicherheit eingebildet – lässt mich wünschen, sie hätte es nicht getan. »Lassen Sie mich direkt zur Sache kommen«, erklärt sie. »Sie haben am College als Reporterin gearbeitet.«
»Und ein Jahr für dieTexas Sun«, füge ich schnell hinzu, weil ich Angst habe, dass sie diese Zeile in meinem Bewerbungsformular übersehen hat. »Ich habe die Zeitung nur wegen einer besseren Stelle hier in Vegas verlassen. Die ist dann allerdings gestrichen worden, ehe ich sie antreten konnte.«
»Darauf wollte ich hinaus, Ms Miller«, tadelt sie mich scharf. »Die Sache ist die, dass ich keine Reporterjobs habe. Sie sind schwer zu bekommen. Mit anderen Worten, niemand hat Reporterjobs. Wenn Sie nach Texas zurückkehren und Ihren Job wiedererlangen können, sollten Sie das tun.«
Ihre Worte wirken auf mich wie ein Schleudertrauma. Ich sacke zusammen, richte mich aber dann rebellierend wieder auf.
Obwohl meine Ersparnisse futsch sind, werde ich nicht wieder über Wassermelonenfestivals schreiben und, nun ja, andere … Sachen, über die ich jetzt lieber nicht nachdenken möchte. Und auch zu keiner anderen Zeit. Ich möchtenie wieder darüber nachdenken. »Ich habe Ihre Buchhaltungstests absolviert«, stelle ich fest, »und wie Sie sehen können, habe ich exzellente Fähigkeiten im Sekretariatsbereich. Zusätzlich bin ich höchst organisiert und leidenschaftlich allem verpflichtet, was ich tue. Ich brauche eine Arbeit – und ich werde in jedem Job pünktlich und produktiv sein.«
»Ich habe Ihre Tests durchgesehen. Die Frage ist, ob Sie auch verlässlich sein werden, wenn ich Sie zu einem Job schicke, bei dem Sie nicht als Reporterin arbeiten?« Es kommt nicht als Frage heraus, sondern klingt eher wie eine Anklage.
»Meine Erfahrung im Journalismus sollte einen Arbeitgeber davon überzeugen, dass ich wortgewandt bin und weiß, wie man, wenn nötig, Dinge einschätzt. Und ich brauche eine stabile berufliche Grundlage.« Keinen Traum, mit dem man seine Rechnungen nicht bezahlen kann, wie ha