Vorwort
Andreas Brunner
Bedarf das Buch Jürgen Pettingers über eine so bekannte Persönlichkeit wie Dorothea Neff überhaupt einer Einleitung, als gälte es, Lücken im Text zu füllen? Mitnichten, denn der als Romanbiografie deklarierte Text kann viel mehr, als jede faktische historische Darstellung je könnte. Er erzählt von Gefühlen, von Liebe und Verzweiflung, von Freude und Abscheu, von Hoffnung und Angst, ohne diese Emotionen den Leser:innen erklären zu müssen, weil er sie durch die handelnden Personen lebendig werden lässt. Er gibt den historischen Figuren eine eigene Stimme, die direkt zu uns spricht und so auch auf unser Empfinden unmittelbar einwirkt.
In einer historischen Abhandlung sind die Möglichkeiten dazu sehr eingeschränkt. Fakten sprechen selten unvermittelt zu uns, sie können aber die emotionale Dichte eines Textes unterstützen und die Erzählung um eine über die unmittelbare Geschichte hinausreichende Dimension erweitern. In diesem Fall ist es eine spezifisch lesbische oder queere Ebene, die in vielen Darstellungen des Schicksals von Dorothea Neff, Lilli Wolff und ihren Freund:innen lange vergessen, wenn nicht gar unterdrückt wurde. Das beginnt bei der ersten Publikation der Geschichte durch die Journalistin Nadine Hauer, setzt sich fort in der Biografie von Peter Kunze und den Erzählungen von Dorothea Neff und Lilli Wolff selbst.
Nie wird von Liebe gesprochen, nie von Begehren, oft zwar von Mut, aber auch von negativen Gefühlen, von Angst und Hoffnungslosigkeit. Denn die Liebe von Dorothea und Lilli, später von Dorothea und Eva Zilcher, aber auch jene von Lilli