„Papa, hatten wir tatsächlich in Calais auch schon so viel Gepäck?“
Stirnrunzelnd beobachtete Angelique, wie ein Hafenarbeiter einen Stapel Hutschachteln heranschleppte. Nach Paris zum Einkaufen zu reisen war ihr ziemlich frivol erschienen angesichts der Tatsache, dass Frankreich immer noch an den durch Bonapartes maßlosen Ehrgeiz erlittenen Wunden krankte, doch ihre Mutter und Lady Nora Penston hatten sich davon nicht beirren lassen. Die beiden Damen schlenderten gerade auf die Geschäfte am Pier von Dover zu und hatten offensichtlich vor, noch weitere Einkäufe zu tätigen, bis die Kutschen fertig beladen waren.
Thomas Graham, Earl of Niston, lachte halblaut. „Ich hoffe nur, zwei Kutschen reichen aus für die vielen Sachen!“ Er führte seine Tochter ein paar Schritte von Lord Penston fort, der geschäftig das Beladen der Kutschen überwachte. „Deine Mutter redet bereits von einer weiteren Reise nach Frankreich vor deiner Hochzeit, Angel. Sie hat sich wohl in den Kopf gesetzt, dass du in einem französischen Kleid zum Altar schreiten sollst.“
Angelique seufzte. „Wenn ihr mir erlauben würdet, Simon jetzt schon zu heiraten, hätten wir bereits dieses Mal eins kaufen können.“
„Angel, das haben wir doch längst besprochen. Ein Jahr ist kein übertrieben langer Zeitabstand zwischen Verlobung und Hochzeit!“
„Simon und ich wollen aber jetzt schon heiraten!“, widersprach sie heftig. „Das weißt du genau. Und dabei dürfen wir noch nicht einmal unsere Verlobung offiziell bekannt geben!“
„Wir möchten eben, dass du dir deiner Entscheidung völlig sicher bist, ehe wir das Ganze publik machen“, beschwichtigte er.
„Ihr glaubt also, ich ändere meine Meinung wieder, und wollt nicht in eine peinliche Situation geraten! Aber das wird nicht geschehen. Simon und ich lieben einander.“
Ihr Vater runzelte die Stirn, offensichtlich wurde er langsam ungeduldig. In diesem Moment wandte sich jedoch Lord Penston mit einer Frage wegen des Gepäcks an ihn, und er kam nicht mehr zum Antworten.
Angelique wandte ihre Aufmerksamkeit einem Schiff zu, das für die Rückfahrt nach Calais beladen wurde. Zwei Männer führten soeben mehrere Hunde die Rampe hinauf, während ein dritter Mann sich mit einem weiteren halben Dutzend Hunde unten am Fuß der Rampe abmühte. Einer von ihnen, ein großer, kräftiger Mastino, sträubte sich heftig dagegen, an Bord zu gehen, und der Mann zog ihm einen Peitschenhieb über den Rücken.
Als das Tier schmerzerfüllt aufjaulte, raffte Angelique ihre Röcke und eilte wutentbrannt auf den Mann zu. „Hören Sie sofort auf!“, rief sie. „Sehen Sie denn nicht, dass der Hund Angst hat?“
Der Mann warf ihr einen ungehaltenen Blick zu und zerrte grob an der Leine, sodass das Tier erneut jaulte. „Das ist ein Wachhund, Miss, der soll keine Angst haben!“
„Fenley, trödeln Sie nicht!“ Ein gut gekleideter Mann beugte sich über die Reling des Schiffs.
„Jawohl, Mylord, aber dieser verdammte Köter macht Schwierigkeiten!“ Damit hob er die Peitsche und wollte abermals zuschlagen, doch in dem Augenblick holte Angelique mit ihrem Ridikül aus.
„Sie werden diesen Hund nicht noch einmal schlagen!“
Der Mann an der Reling schaltete sich ein. „Sie müssen ihn verstehen, Mylady, schließlich wollen wir mit der nächsten Flut auslaufen.“
„Das ist kein Grund, so brutal vorzugehen“, konterte sie.
„Sie haben natürlich recht, bitte verzeihen Sie. Fenley, geben Sie der jungen Dame die Leine. Mylady, ich danke Ihnen für Ihr Mitgefühl. Ich bin sicher, bei Ihnen wird sich Brutus sehr viel wohler fühlen als bei uns.“ Er zog den Hut. „Guten Tag.“
Verblüfft ließ sich Angelique die Leine in die Hand drücken, ehe der als Fenley angesprochene Mann sich umdrehte und mit den anderen Hunden an Bord ging. Sie blickte bestürzt auf ihren neuen Schützling. „Ach du Schreck“, murmelte sie. Brutus wedelte mit dem Schwanz. Ihre Eltern würden wenig begeistert sein … Andererseits hatten sich ihre Geschwister schon immer einen Hund gewünscht, vielleicht drückten sie ja ein Auge zu.
Angelique zog leicht an der Leine, und Brutus trabte brav neben ihr