1. KAPITEL
„Du weißt, warum ich hier bin.“
Clementina Savanevski blickte den Mann an, der vor der Tür des Cottage stand. Seine Stimme ist so dunkel wie seine Augen, seine Haare und wohl auch sein Herz, schoss es ihr durch den Kopf. Er war groß, breitschultrig und wirkte gefährlich und beunruhigend kräftig.
Wieso er auf sie einen bedrohlichen Eindruck machte, war ihr nicht klar. An seiner Haltung konnte es nicht liegen. Er hatte die Hände lässig in die Taschen der abgetragenen Designerjeans geschoben, die sich an seine schmalen Hüften und muskulösen Oberschenkel schmiegten. Auch in seinem markanten Gesicht gab es keine Züge, die sie an Gruselgeschichten mit Serienmördern oder Vampiren denken ließen.
Genau genommen sah der Mann umwerfend aus. Er hatte einen sonnengebräunten Teint, markante Wangenknochen und dunkelbraune Augen, die von unglaublich dichten schwarzen Wimpern umrahmt wurden. Clementina spürte, wie ihr Körper auf seine ungeheuer sexy und männliche Ausstrahlung reagierte.
Trotzdem setzte sich der Gedanke von einem gefährlichen Blutsauger in ihr fest. Vermutlich hing es mit seinem kühlen, entschlossenen und unerbittlichen Blick zusammen, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Sie ließ es sich nicht anmerken und rang sich ein höfliches Lächeln ab.
„Ich habe keine Ahnung“, erwiderte sie leicht abweisend, doch deutete nichts in seiner Miene darauf hin, dass er den leisen Unterton in ihrer Stimme mitbekommen hatte.
„Du weißt, warum ich hier bin“, wiederholte er.
„Nein“, antwortete sie, dabei erwartete sie tatsächlich jemanden und fürchtete sich seit Tagen beziehungsweise Wochen vor dessen Eintreffen. Seit ihr dreiundzwanzigster Geburtstag immer näher rückte, der das Ende ihres alten Lebens und den Beginn eines neuen darstellen würde. Vergebens hatte sie versucht, nicht daran zu denken, was demnächst sein würde. Der Gedanke an ihre Zukunft überschattete jeden Tag, der ihr noch blieb.
Sie hatte darum gebetet, dass dieser Jemand noch nicht so bald kommen und ihre persönliche Freiheit stark beschneiden würde und dass sie zumindest noch ein paar Tage Zeit haben würde, ehe das Leben, das ihr Vater für sie geplant hatte, als sie noch ein Kind gewesen war, seinen Anfang nahm.
Bei dem ausgesprochen sexy Mann, der nun vor ihr stand, handelte es sich jedoch nicht um diesen Jemand. Dieser war wesentlich älter und würde nicht leger gekleidet und unangemeldet bei ihr auftauchen.
Deshalb hatte sie auch einfach die Tür geöffnet, als es plötzlich geklingelt hatte. Sie hatte sich nicht einmal die Haare gebürstet, die sie nach dem Waschen an der Luft hatte trocknen lassen. Die Wimperntusche war verlaufen, und sie hatte den Lippenstift noch nicht entfernt, den sie ausprobiert und für zu grell befunden hatte.
„Ich habe keine Ahnung, wer du bist und was du hier willst“, wiederholte sie, indem sie ihn ebenfalls mit Du anredete. „Falls du mir etwas verkaufen möchtest, bin ich nicht daran interessiert.“
„Ich will nichts verkaufen.“
Sie hatte es auch nicht wirklich angenommen. Für einen Vertreter war er zu lässig und zu teuer angezogen. „Wenn das so ist …“ Wenn er mir nicht sofort erklärt, was er will, werde ich die Tür wieder schließen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie war in Eile, denn sie musste bald aufbrechen und zu Harry fahren, um rechtzeitig auf seiner Geburtstagsfeier zu erscheinen. Er würde es ihr nie verzeihen, wenn sie sich verspätete. „Dann wäre es wohl besser, wenn du wieder gehst.“
Clementina trat etwas zurück. Sie hatte keine Zeit zu verschenken. Vor allem weil Harry auf sie wartete. Außerdem musste sie noch zu Ende packen, ehe sie das Cottage und England für immer verließ.
Sie hatte Harry zugesagt, an seinem Geburtstag bei ihm zu sein. Dieses Versprechen wollte sie unbedingt halten. Nicht nur seinetwegen. Wenn sie dann wieder hierher zurückgekehrt war, würde sie sich in ihr Schicksal fügen. In ein Leben, das man vor dreizehn