1. KAPITEL
Jeremiah Davis war früher einmal ein stolzer Mann gewesen – stolz auf sein Land, seine Rinder und seine Frau. Jetzt ritt er über das offene Weideland, betrachtete die Zäune, die dringend ausgebessert werden mussten, und dachte an etwas, das sein Vater ihm gesagt hatte, als er noch ein Kind gewesen war: „Stolz kommt vor den Fall.“
Und Jeremiah war hart gefallen. Zuerst hatte er unklug investiert und seine gesamten Ersparnisse verloren. Danach waren seine Kälber erkrankt, und er hatte auch noch den letzten Penny verloren, den er besaß. Der endgültige Schlag hatte ihn dann mit dem Tod seiner Frau getroffen.
Er war jetzt ein einsamer Mann, dem alles genommen worden war, was ihm etwas bedeutet hatte. Stolz war nur noch ein leeres Wort für ihn.
Die Davis-Ranch befand sich im Südwesten von Utah. Die nächstgelegene Stadt, Pennington, bestand aus einigen kleinen Läden und einer Tankstelle. Einmal täglich sauste ein Zug durch die Stadt und schreckte alle sonst träge herumstreunenden Hunde für einige Minuten aus dem Schlaf und brachte sie dazu, voller Energie draufloszuheulen, bevor sie sich wieder in den Staub von Utah zurücklegten.
Vielleicht sollte ich aufgeben, dachte Jeremiah resigniert. Zum Teufel mit der Ranch. Sein Vater hatte sein ganzes Leben hart dafür geschuftet, und was hatte es ihm gebracht? Jeremiah sah zum Horizont, dorthin, wo Hurricane lag, eine Stadt, in der er einen richtigen Job finden könnte. Aber wollte er überhaupt einen sogenannten richtigen Job haben? Wie könnte er in einer Welt voller Asphalt überleben?
Das Ranchhaus kam in Sicht. Früher war es von seiner Frau, die die Ranch genauso geliebt hatte wie er, in bestem Zustand gehalten worden. Doch jetzt wirkte es so trostlos, wie er sich fühlte.
Wütend auf sich selbst riss er sich aus seiner selbstmitleidigen Stimmung. Seine düsteren Grübeleien brachten ihn auch nicht weiter. Sobald er das Haus erreicht hatte und hineingegangen war, warf er den Hut auf einen Sessel und eilte in die Küche. Dort wollte er sich ein paar Spiegeleier machen, doch als die Eier aus unerfindlichen Gründen anbrannten und die Küche plötzlich voller Rauch war, verlor er die Geduld, warf die Eier mitsamt der Pfanne in den Abfall und öffnete die letzte Tüte Kartoffelchips. Verdammt noch mal, irgendwie musste sein Leben sich ändern!
Das Telefon unterbrach seinen Wutanfall, und er meldete sich mit vollem Mund.
„He, Jeremiah. Was ist denn los?“
„Gleiche Misere, anderer Tag, Nelson.“
„Du klingst so komisch.“
„Das liegt nur an meinem Mittagessen, frisch aus der Tüte.“
„Wenn du was Richtiges essen willst, komm doch zu uns rüber. Sharon …“
„Nein, danke. Das letzte Mal habt ihr mir eine Heiratskandidatin aus Nevada aufgetischt.“
„Wegen so was Ähnlichem rufe ich dich jetzt eigentlich auch an.“
„Vergiss es. Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nicht interessiert bin. Das Wort ‚Nein‘ besteht nur aus einer Silbe, Nelson, und ist wirklich leicht zu kapieren.“
„Nun hör mir doch erst einmal zu, Davis. Was ich dir zu sagen habe ist im Interesse der ganzen Gemeinde.“
Jeremiah verdrehte die Augen. Johnny Nelson, ansonsten ein guter Freund und tüchtiger Rancher, konnte so stur wie ein Esel sein. „Okay, Nelson, schieß los“