: Jonas Deichmann, Martin Waller, Carsten Polzin
: Crossing America Auf dem Rad von New York nach Los Angeles und zurück in 100 Ultramarathons
: Polyglott, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
: 9783846410042
: POLYGLOTT Abenteuer und Reiseberichte
: 1
: CHF 16.60
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: Nord- und Mittelamerika
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
'Ein vermessenes Vorhaben, eigentlich. Wäre da nicht Deichmanns Vorgeschichte.' (Frankfurter Allgemeine Zeitung) 'Jonas Deichmann erfüllt sich mit seiner Tour zwischen Atlantik und Pazifik seinen ganz eigenen amerikanischen Traum.' (stern) 120 Marathons in 100 Tagen: Inspiriert von seinem Filmhelden Forrest Gump läuft Jonas Deichmann quer durch die gesamten USA von Los Angeles bis nach New York. Und damit seine Leidenschaft fürs Radfahren nicht zu kurz kommt, nimmt er das Rad, um zunächst auf der umgekehrten Strecke seinen Startpunkt zu erreichen. 'Trans America Twice' ist die neue große Challenge des Extremsportlers aus Stuttgart, der mit seinem Triathlon um die Welt Abenteuergeschichte geschrieben hat. Was er dabei erlebt? Die unglaubliche Weite des nordamerikanischen Kontinents, extreme Strapazen und Momente größten Glücks. In erster Linie sind es aber die Menschen, denen er begegnet, die er zum Mitlaufen motiviert und die ihm mit ihrer Gastfreundschaft die unterschiedlichsten Perspektiven auf das Land bieten, das das Streben nach Glück in seiner Verfassung verankert hat. Ein inspirierendes Buch voller Abenteuer und ein unwiderstehlicher Ansporn, das Leben in die eigene Hand zu nehmen.

Jonas Deichmann, geboren 1987 in Stuttgart, ist freiberuflicher Extremsportler und Abenteurer. Er hat Geschwindigkeitsrekorde mit dem Fahrrad auf den Transkontinentalpassagen aufgestellt: Von Alaska bis Feuerland, von Portugal bis Wladiwostok, vom Nordkap bis and Kap der Guten Hoffnung. Seine bislang größte Challenge war sein 120facher Triathlon um die Welt 2020 bis 2021.

Prolog


Das Unwetter bricht völlig überraschend und mit überwältigender Wucht los. Eine Windböe packt mich und wirft mich fast vom Rad. Fette Hagelkörner prasseln herab, ihr Trommeln auf dem Fahrradhelm ist wie ein Martyrium. Aus dem lauen Lüftchen ist innerhalb weniger Minuten ein ausgewachsener Sturm geworden. Blitze schlagen auf der weiten, verwaschenen Ebene ein, manche am dunklen Horizont, andere gefährlich nahe, sodass ich geblendet die Augen schließen muss. Der Donner ist ohrenbetäubend.

Jetzt ist guter Rat teuer. Zu allen Seiten erstreckt sich die weite Prärie, ein Platz zum Unterstellen ist nirgends in Sicht. Anhalten würde nichts nützen. Wieder schlägt mit lautem Krachen ein Blitz ein, gefühlt nur wenige Meter neben mir. Jetzt bekomme ich es schon ein wenig mit der Angst zu tun. Ziehe ich auf meinem Fahrrad in dieser flachen Landschaft nicht den Blitz an wie ein Kreuz auf dem Berggipfel? Ich trete automatisch weiter in die Pedale und kämpfe gegen den Wind, Hagel und Regen an, die mich nun frontal in die Zange nehmen. Fieberhaft arbeitet es in mir, was zu tun ist. Was würde wohl im Lehrbuch stehen? Das Fahrrad zurücklassen und sich klein machen, um möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten? Sich auf den Boden legen? In unseren europäischen Breiten sind wir es nicht gewohnt, diesen Extremen in freier Natur ausgesetzt zu sein. Meist lächelt man die Sorge über einen Blitzschlag einfach weg. Was soll schon passieren? Hier ist es anders. Ich bin hier draußen vollständig allem ausgeliefert. Und wenn es mich trifft, ist es vermutlich vorbei. Denn selbst wenn ich den Blitzschlag überlebe – würde mich hier draußen überhaupt irgendjemand finden?

Also tue ich in dem tosenden Chaos das Einzige, was mir noch einfällt: Ich fahre weiter. Mein ganzes Wesen ist schließlich auf Durchhalten getrimmt. Völlig durchnässt gehe ich aus dem Sattel und treibe die Pedale nach vorne. Es geht quälend langsam. Meter um Meter krieche ich die Straße entlang, versuche, mich an den gelben Mittelstreifen auf dem schwimmenden Asphalt zu orientieren.

Wie lange geht das gut?

Forrest Gump als Vorbild

Ich bin mal wieder unterwegs.

Diesmal auf dem Weg durch die USA, die ich zweimal durchqueren will: mit dem Fahrrad von Ost nach West, das heißt, von New York nach Los Angeles, und dann auf einer weiter südlich verlaufenden Route wieder zurück von Los Angeles nach New York. Das ist ein Traum von mir, seit ich mit 12 oder 13 Jahren den Film »Forrest Gump« gesehen habe. Natürlich ist die ganze Geschichte des Films viel komplexer, doch der Abschnitt, in dem Forrest anfängt, durch die gesamten USA zu laufen, und läuft und läuft, der hat sich mir besonders eingeprägt. So etwas wollte ich auch einmal machen. Ich habe mir aber vorgenommen, anders als der von Tom Hanks gespielte Filmheld nicht einfach irgendwann zu stoppen. Forrest hatte schließlich genug von dem Gelaufe. Ich werde erst genug haben, wenn ich wieder an der Brooklyn Bridge stehe.

Von Haus aus bin ich begeisterter Radfahrer. Mein Vater erzählt gern die Geschichte, dass ich schon als Kind, um zu meinem Radsportclub zu kommen, von unserem Dorf aus jedes Mal zunächst eine steile Bergkette überwinden musste – natürlich per Fahrrad. Später unternahm ich im Urlaub lange Radreisen in alle möglichen Teile der Welt. Die erste Ultradistanz fuhr ich im Sommer 2017 vom westlichsten Punkt Europas, dem Cabo da Roca in Portugal, bis nach Wladiwostok im russischen Fernen Osten. Um das zu realisieren, hatte ich noch meinen damaligen Arbeitgeber überzeugen müssen, der mich großzügig freistellte und meine Unternehmung finanziell unterstützte. Genau genommen habe ich es ihm schlecht gedankt, denn im Jahr darauf kündigte ich, um fortan das Abenteuer zu meinem Beruf zu machen. Mittlerweile haben mein Ex-Chef und ich aber wieder ein gutes Verhältnis.

Meine Radreisen führten mich auch immer wieder zu Weltrekorden. So halte ich den Rekord für die schnellste West-Ost-Durchquerung Europas auf dem Fahrrad (6400 Kilometer in gut 25 Tagen) und die schnellste Durchquerung Eurasiens (14.331 Kilometer in 64 Tagen). Beides auf der bereits erwähnten Fahrt 2017 von Portugal nach Wladiwostok. 2018 fuhr ich die Panamericana von Alaska nach Feuerland