Wladimir Wladimirowitsch Putin schob den schweren Vorhang ein Stück zur Seite und hatte nun einen guten Blick nach unten auf den Innenhof des Kremls. Er schaute den Touristenmassen, die sich, wie jeden Tag, über den Hof wälzten, zufrieden zu. Der Himmel war blau und nur ein paar malerische Wölkchen waren zu sehen, die Touristen genossen den schönen und milden Septembertag. Es war noch früh am Tag, aber der Kreml war schon geöffnet für Reisegruppen, die in geführten Touren die Rüstkammer, den Glockenturm »Ivan der Große« und die Diamantenschmucksammlung der Zaren, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten in diesem geschichtsträchtigen Gebäude also, sehen durften. Die Touristen, die unten im Innenhof des Kremls herumstanden und warteten, bis ihre Führung begann, machten ständig Fotos und Videos mit ihren Handys, so wie Touristen das eben machen. Er hatte die Fenster des gesamten Stockwerks verspiegeln lassen – zum Entsetzen der Bauabteilung des Kremls, die auch für den Denkmalschutz zuständig war.
Er fand es gut, dass sich die Leute der Bauabteilung Sorgen um den Kreml machten, um das gemeinsame Erbe des Vaterlandes. Aber er war nun einmal der Präsident und der Kreml war damitsein Palast. Als ihm einer seiner Informanten zugetragen hatte, dass in der Bauabteilung Kritik über die Verspiegelung der Fenster geflüstert wurde, hatte er nur gelächelt und nichts weiter unternommen. Man musste natürlich aufpassen auf solche Entwicklungen, das wusste Putin aus jahrzehntelanger Erfahrung sehr genau. Kritik am Präsidenten war gefährlich und musste im Prinzip sofort im Keim erstickt werden. Aber die Kritik an der Verspiegelung der Fenster war okay, denn darin sah er auch Vaterlandsliebe. Die Leute in der Bauabteilung wollten das historische Erbe Russlands bewahren, und solange sie nicht generell an seiner Person oder an seiner Präsidentschaft herummeckerten, hatten sie nichts zu befürchten.
Jedenfalls konnte er seit der Verspiegelung der Fenster sicher sein, dass keiner der Besucher ihn sehen konnte. Trotzdem zuckte er unwillkürlich immer wieder leicht zurück, wenn einer in seine Richtung nach oben schaute und seine Handykamera auf das Fenster richtete, hinter dem er stand. Er