Dritter Teil – 2 – 1850 – 1861
Mit dem Neujahr 1860 trat jetzt eine sehr unerwartete Wendung für die Möglichkeit des Gelingens meiner Unternehmungen ein. Der Kapellmeister Esser in Wien vermittelte an mich den Wunsch des Musikhändlers Schott in Mainz, eine neue Oper von mir für seinen Verlag zu erwerben. Hierfür hatte ich jetzt nichts anderes als das „Rheingold“ anzubieten; die eigentümliche Beschaffenheit dieses nur als Vorspiel zu der großen Nibelungen-Trilogie gedachten Werkes machte es mir schwierig, ohne weitere Andeutungen in diesem Bezug, es einfach nur als „Oper“ anzubieten. Dennoch erschien der Eifer Schotts, jedenfalls ein neues Werk von mir seinem Verlagskatalog einzureihen, so groß, dass ich endlich alle Bedenken überwand und, ohne Verhehlung der Schwierigkeiten für die Verbreitung dieses Werkes, es ihm zur Verfügung stellte, sobald er mir 10.000 Franken dafür zahlen wollte, wogegen ich ihm allerdings die Erwerbung der nachfolgenden drei Hauptstücke, zu dem gleichen Preis für ein jedes derselben, zusicherte. Sogleich fasste ich den Plan, falls Schott auf meine Forderung einginge, die hieraus sich ergebende so unerwartete Einnahme zur Betreibung meiner Pariser Unternehmung zu verwenden. Durch das hartnäckige Schweigen des kaiserlichen Kabinetts ermüdet, gab ich jetzt an meine Agenten den Auftrag, mit Signor Calzado für das italienische Opernhaus zu drei Konzerten abzuschließen, sowie das nötige Orchester und die erforderlichen Gesangskräfte anzuwerben. Als dies im Gange war, ward ich wiederum durch zögernde Gegenanerbietungen von Schott geängstigt; um ihn mir nicht abwendig zu machen, trug ich bereits dem Musikdirektor Schmidt in Frankfurt brieflich auf, die Unterhandlungen mit Schott auf Grund einer bedeutend ermäßigten Forderung meinerseits fortzusetzen. Kaum war dieser Brief abgesandt, als Schotts Schreiben eintraf, in welchem er mir schließlich seine Bereitwilligkeit auf meine Forderung von 10.000 Franken einzugehen, kundgab. Dies veranlasste meinerseits ein Telegramm an Schmidt, durch welches ich den ihm gegebenen Auftrag angelegentlichst zurücknahm.
Mit gutem Mut verfolgten ich und meine Agenten nun die eingeleitete Konzert-Unternehmung, deren Vorbereitung meine ganze Tätigkeit vollauf in Beschlag nahm. Ich hatte für einen Gesangchor zu sorgen und glaubte hierfür das teuer zu bezahlende Personal der italienischen Oper durch einen deutschen Gesangverein verstärken zu müssen, welcher mir unter der Leitung eines gewissen Herrn Ehmant nachgewiesen wurde. Um mir die Mitglieder desselben geneigt zu machen, hatte ich eines Abends ihr Vereinslokal in der rue du Temple aufzusuchen und mich mit guter Laune an den Bierdunst und Tabaksdampf zu gewöhnen, in welchem hier biedere deutsche Kunstbestrebungen sich mir offenbaren sollten. Außerdem wurde ich aber auch mit Herrn Chevé, dem Lehrer und Dirigenten eines französischen Volksgesangsvereins, dessen Übungen in der Ecole de médecine vor sich gingen, in Verbindung gesetzt und traf hier auf einen wunderlichen Enthusiasten, welcher von seiner Methode, Leute ohne Noten Musik singen zu lassen, die Regeneration des französischen Volks-Geistes erwartete. Die peinlichsten Beschwerden verursachte mir aber die Nötigung, den größten Teil der Orchesterstimmen der von mir auszuführenden Fragmente erst kopieren zu lassen. Ich nahm hierfür mehrere arme deutsche Musiker in Sold, welche sich nun von früh bis in die Nacht in meiner Wohnung niederließen, um unter meiner Anleitung und Aufsicht die oft schwierigen Einrichtungen vorzunehmen.
In diesen mit Leidenschaftlichkeit betriebenen Besorgungen traf mich jetzt Hans von Bülow an, welcher, wie es sich namentlich in dem Erfolg erwies, fast weniger um der Betreibung seiner eigenen Angelegenheiten als Konzert-gebender Virtuos, sondern um sich meinen Unternehmungen hilfreich zu erweisen, für längere Zeit in Paris eingetroffen war. Er wohnte bei Liszts Mutter, verbrachte aber die größte Tageszeit bei mir, um überall, wo es Not tat, so jetzt zunächst bei der Anfertigung der Kopien zu helfen. Nach jeder Seite hin war seine Mittätigkeit außerordentlich; namentlich aber schien er es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, seine, bei einem vorjährigen Besuch von Paris unter der Anleitung seiner Frau angeknüpften, gesellschaftlichen Verbindungen für meine Unternehmung nützlich zu machen. Der Erfolg hiervon ergab sich mit der Zeit; für jetzt half er bei der Ausführung der Konzerte selbst, zu welchen nun die Proben begannen.
Die erste dieser Proben fand im Herzschen Saal statt und führte zu einer Aufregung der Musiker gegen mich, welche fast einer Emeute glich. Ich hatte mich beständig mit ihnen zu streiten über Gewohnheiten ihrerseits, welchen nicht nachgeben zu dürfen ich mich meinerseits durch Vernunftgründe zu erweisen bemühte. Besonders empörte sie mein Sechsachtel-Takt, welchen ich ihnen nach dem Schema des Vier-Viertel-Taktes schlug, während sie unter tumultuarischen Protestationen behaupteten, er müsse nach dem des Alla-breve-Taktes geschlagen werden.