Markus Baumann hatte viele Methoden ausprobiert, Frauen rumzukriegen. Keine war so erfolgreich wie die Sommerfeldt-Masche. In letzter Zeit hatte es drei Fernsehsendungen über den Serienkiller gegeben, eine Reportage über die Misserfolge bei der Fahndung nach seinem Ausbruch und über mögliche Helfershelfer in Ostfriesland, eine Sondersendung vonAktenzeichenXY … ungelöst, mit der die aktuelle Fahndung nach ihm befeuert werden sollte, und dann unterhielten sie sich imLiterarischen Quartett über ihn und seine Biographie. Zum ersten Mal hatte die Sendung mehr als drei Millionen Zuschauer und wurde in der Mediathek zigmal aufgerufen. Angeblich drehte dasZDF einen Spielfilm auf der Grundlage seiner BiographieTotenstille im Watt, aber wer die Hauptrolle, also Dr. Bernhard Sommerfeldt, spielen sollte, wurde wie ein Staatsgeheimnis gehütet.
Er hatte sich viel mit Sommerfeldt beschäftigt, und seitdem er auf Sommerfeldt machte, legte er reihenweise Frauen flach. Sie vertrauten ihm sofort, waren bereit, ihn zu verstecken, boten ihm Geld an und liebten ihn bis zur Erschöpfung.
Er selbst war ein Jäger. Er war auf keinen Frauentyp festgelegt. Für ihn war es ein Sieg, wenn sie mit ihm ins Bett stiegen, und genau darum ging es.
In frühester Kindheit schon hatte er erlebt, dass er nicht um seiner selbst willen geliebt wurde, sondern höchstens für Leistungen, die er vollbrachte. Also gab er für seinen Vater den tollen Torwart, obwohl er es ziemlich bescheuert fand, sich mit dem Kopf voran auf einen Ball zu stürzen, nach dem andere traten. Vier Finger waren ihm beim Spiel gebrochen worden und einmal auch die Nase.
Für seine Mutter wollte er das musische Genie geben, doch Torwart und Klavierspielen, das passte nicht zusammen. Mit gebrochenen Fingern spielt sich Mozart schlecht.
In seinem Innern war er weder Fußballer noch Musiker, und auch den braven Schüler spielte er nur. Er wollte geliebt werden und strampelte sich ab. Um die Liebe seiner Eltern kämpfte er schon lange nicht mehr, das war Schnee von gestern. Jetzt sammelte er Erlebnisse mit Frauen, am besten an jedem Wochenende mit einer anderen. Und mit der Sommerfeldt-Masche war das überhaupt kein Problem.
Zu seiner Ausstattung gehörte ein helles Leinenjackett. Aus der rechten Tasche ragte immer ein Buch von Dr. Bernhard Sommerfeldt.
Baumann fand die Frauen in Bibliotheken, bei Krimilesungen, bei Spaziergängen im Park, und besonders viele von ihnen machten gern Urlaub an der Nordsee. Sie besuchten die Plätze, an denen Sommerfeldt sich laut seiner Bücher aufgehalten hatte. Welcher Sommerfeldt-Fan wollte nicht mal imCafé ten Cate Baumkuchen gegessen haben? Natürlich besuchten sie den Lütetsburger Park, wollten auf Langeoog in einem Anna-See-Apartment wohnen, am liebsten mit Blick auf die Eisdiele Venezia.
Er wusste, wie er sie fand, und er wusste, wie er sie ansprechen musste. Dazu waren keine Verrenkungen in Diskotheken notwendig, und er musste auf keiner Skipiste mit dem Skilehrer konkurrieren. Er begann ein lockeres Gespräch über Ostfriesland und über Sommerfeldt, und wenn er den Glanz in ihren Augen sah, dann verriet er nach nicht allzu langer Zeit, er sei Dr. Bernhard Sommerfeldt. Natürlich nicht mehr ganz so schön wie auf den Fahndungsplakaten, denn er habe sich umoperieren lassen, sonst könne er sich ja nicht an seinen Lieblingsorten aufhalten. Er sei verpfiffen worden und brauche dringend eine sichere Wohnung für die Nacht.
Von zehn Versuchen hatten acht funktioniert. Zweimal hatte er die Geschichte selbst abgebrochen, weil sie ihm frei heraus sagte, ihr Mann hätte bestimmt nichts dagegen, der sei auch Sommerfeldt-Fan.
Besonders angenehm an der Sommerfeldt-Methode fand er auch, dass er danach nicht großartig Schluss machen musste und es keine schrecklichen Abschiedsszenen gab, keineIch-hasse-dich-Schreie, sondern jede verstand, dass er weiterziehen musste und ihr weder eine Telefonnummer geben konnte noch eine Adresse.
Er ging mit einem Augenzwinkern und versprach, sich wieder zu me