Kapitel 2
»Du hättest mich den Wecker stellen lassen sollen.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich verschlafen habe.«
»Dein Anzug ist im Schrank.«
»Max ruft bei dir an.«
»Scheiße.« Ich schnappte mir mein Handy und ging aus dem Schlafzimmer. »Bist du schon im Laden?«
»Schon? Es ist neun. Wo bist du, Chef?«
»Tut mir so leid, ich habe verschlafen«, sagte ich und klemmte das Handy zwischen meinem Ohr und meiner Schulter ein, damit ich mir meine Schuhe anziehen konnte.
»Oha, das ist ja noch nie passiert.«
»Weiß ich. Ich bin auf dem Weg.«
»Dann geh ich erst mal Kaffee holen.«
»Gerne.« Wir verabschiedeten uns und legten auf. Mein Handy stopfte ich in die Hosentasche und stieß mit Calvin zusammen, als er gerade aus dem Schlafzimmer kam. »Frühstück?«, fragte ich hastig und schnappte mir meinen Pullover vom Bett.
»Keine Zeit«, erwiderte er, während er sich seine Krawatte band.
Als ich wieder aus dem Schlafzimmer rauskam, stand Calvin bereits an der Eingangstür und knöpfte seinen Mantel zu. Schnell zog ich mir meine Jacke an, schlang mir meinen Schal um und griff nach meiner Tasche. Ich hatte gerade noch genug Zeit, meine Sonnenbrille aufzusetzen, da folgte ich ihm schon nach draußen. Die Tür fiel ins Schloss und ich sperrte zu, bevor wir uns beeilten, die knarzenden Treppen zur Eingangstür runterzulaufen. Gerade als wir das Gebäude verließen, fing es an, zu regnen. Nicht stark, aber genug, um einen kalten Tag zu erwarten.
Calvin überraschte mich, als er mein Gesicht in die Hand nahm, meinen Kopf hob und mich sanft küsste. »Hab einen schönen Tag.«
»Du auch.«
Er lächelte und holte dann seine Autoschlüssel aus der Hosentasche, bevor er den Gehweg runterlief.
Schnell wühlte ich aus meiner Tasche einem Regenschirm, spannte ihn auf und ging dann in die entgegengesetzte Richtung. Ich hatte das Glück, dass das Imperium nur einen kurzen Spaziergang von mir entfernt war, daher musste ich mich nicht auf Taxis oder die U-Bahn verlassen, worüber ich wirklich froh war. Immerhin hatte die Verkehrsgesellschaft schon wieder ihre Preise erhöht. Wer konnte es sich denn da noch leisten, zu pendeln? Und was Taxis anging … Gab es überhaupt einen Menschen auf der Welt, der davon ausging, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen, wenn er mit einem Taxi im Berufsverkehr unterwegs war? Um Menschen herumzulaufen, die gelassen spazieren gingen oder am Handy spielten, war das geringere Übel.
An einer Straßenecke, kurz vor dem Imperium stand ein Mann namens Henry, der unter einem großen Regenschirm stand und kostenlose Zeitungen an Passanten verteilte. In den drei Jahren, die ich nun hier arbeitete, hatte er noch keinen schlechten Tag gehabt. Er war immer gut drauf und hatte für jeden ein Lächeln übrig. Außerdem redete er viel und gerne; daran merkte man, dass er ein wahrer New Yorker war.
»Mr. Snow«, sagte er mit einem breiten Grinsen. »Sie sind zu spät!«
»Leider«, lachte ich und nahm die Zeitung an, die er mir hinhielt.
»Haben Sie heute Ihren Partner nicht dabei?« Henry hatte Calvin ein einziges Mal getroffen und seitd