: Malte Nelles
: Gottes Umzug ins Ich Eine Tiefenpsychologie des modernen Menschen
: Europa Verlag GmbH& Co. KG
: 9783958905672
: 1
: CHF 18.00
:
: Psychologie
: German
: 296
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Gott ist nicht tot. Er ist umgezogen ins menschliche Ich. Die Folge hiervon ist die grundsätzliche psychische Überforderung des modernen Menschen, die ihren Ausdruck im drastischen Anstieg seelischen Leidens in der heutigen Zeit findet. Die gängige klinische Psychologie wird dem modernen Phänomen der psychischen Volkskrankheiten nicht gerecht, wenn sie deren Ursachen ausschließlich in der persönlichen Lebensgeschichte des Patienten sucht. Es sind unser kulturelles Erbe und der diesem entstammende Geist unserer Zeit, die das seelische Wohl und Leid des Einzelnen maßgeblich mitbestimmen. In diesem Buch geht Malte Nelles tieferen historischen und kulturellen Gründen für die heutige Situation des Menschen nach und versucht, nicht nur eine neue Perspektive für die Psychologie zu entwickeln, sondern ebenso Inspiration für persönliche Lebensfragen zu geben. Der Gottmensch, der wir geworden sind, ist neurotisch und damit reif für eine Therapie. In diesem Buch erzählt er seine Geschichte.

Malte Nelles, Jahrgang 1982, ist Diplom-Politologe (FU Berlin), Lehrtherapeut (DGfS) und Heilpraktiker für Psychotherapie mit Ausbildungen in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie, Aufstellungsarbeit und Paartherapie. Er ist Geschäftsführer des Nelles-Instituts für phänomenologische Psychologie, das er gemeinsam mit seinem Vater Wilfried Nelles leitet. Seit 2009 arbeitet er in eigener psychotherapeutischer Praxis in Berlin und leitet europaweit und bis zur Coronakrise auch in China Ausbildungen und Aufstellungskurse. Sein Weg zur Psychotherapie verlief über eigene existenzielle Lebensfragen in die eigene Lehrpraxis. Für das vorliegende Buch ist neben seiner psychotherapeutischen Arbeit seine akademische Herkunft als Sozialwissenschaftler wesentlich; sie hat ihn geprägt, den Einzelnen als Resultat größerer sozialer, kultureller und historischer Zusammenhänge zu betrachten. Malte Nelles lebt mit seiner Familie (zwei Kinder) in Berlin.

Einleitung:
Wo Gott war, werde Ich


»Es klingt nicht nur wie ein Märchen, es ist direkt die Erfüllung […] aller Märchenwünsche, was der Mensch durch seine Wissenschaft und Technik auf dieser Erde hergestellt hat, in der er zuerst als ein schwaches Tierwesen auftrat und in die jedes Individuum seiner Art wiederum als hilfloser Säugling […] eintreten muß. All diesen Besitz darf er als Kulturerwerb ansprechen. Er hatte sich seit langen Zeiten eine Idealvorstellung von Allmacht und Allwissenheit gebildet, die er in seinen Göttern verkörperte. Ihnen schrieb er alles zu, was seinen Wünschen unerreichbar schien – oder ihm verboten war. Man darf also sagen, diese Götter waren Kulturideale. Nun hat er sich der Erreichung dieses Ideals sehr angenähert, ist beinahe selbst ein Gott geworden.«1

Sigmund Freud

»Gerufen oder nicht gerufen, Gott wird da sein.«

Inschrift auf Carl Gustav Jungs Grabstein

Der Tod Gottes


Wer bestimmt, was in meinem Leben passiert? Noch vor hundert Jahren hätten viele Menschen intuitiv »Gott« geantwortet. Heute lautet die Antwort: »Ich«. Der einstmals Allmächtige in Bezug auf die großen Fragen meines Lebens bin nun ich.

Die Geschichte des modernen Menschen ist die des großen Gewinns der Freiheit: Freiheit von den Fesseln der Bevormundung durch Herrschende, Kirche und Tradition. Dem modernen Zeitalter liegt das mythische Versprechen zugrunde, dass das persönliche Leben nicht davon entschieden wird, wo und von wem wir geboren werden, sondern dass wir uns von unserer Herkunft lösen können und die Chance haben, zu jenem einzigartigen Wesen zu werden, das wir sind. Als moderne Menschen entscheiden wir selbst, wohin der Weg gehen soll.

Diesen Gewinn an Freiheit bezahlen wir mit einem Verlust: Im sicheren Bett der Tradition, die uns sagte, was richtig ist und wer wir sind, können wir nicht mehr ruhen. Die Wiederholung dessen, was gestern stimmte, ist in einer Welt, deren erste Charaktereigenschaft i