1. KAPITEL
Drei Tage nach Weihnachten stand Eloise Miller in ihrem taubengrauen Wintermantel auf der Treppe von Morwen Hall und wartete darauf, dass die größte Plage ihrer Kindheit ankam und die Hölle losbrach.
„Ich frage mich, ob sie wohl den Brautschleier tragen wird“, sagte Laurel neben ihr. „Ich meine, sie hat mich im ganzen Land nach dem perfekten Spitzenschleier suchen lassen, aber ich denke, dass Melissa es nicht mag, wenn die Leute ihr Gesicht nicht sehen können.“
„Was die Werbung für ihren neuesten Film erklärt.“ Eloise dachte an die Plakate, so hoch wie Doppeldeckerbusse, die kaum mehr als Melissas makelloses Gesicht, ihr glänzendes blondes Haar und die schlanken, blassen Schultern zeigten. Oh, und den Filmtitel wahrscheinlich.
Melissa besaß die Art von bezaubernder Schönheit, neben der alles andere bedeutungslos wurde. Bis auf die Tatsache, dass sie immerzu gemein war natürlich.
„Glaubst du, dass sie bei Dreharbeiten genauso … anstrengend ist wie während der Vorbereitungen für diese Hochzeit?“, fragte Laurel.
Nicht zum ersten Mal hatte Eloise Mitleid mit ihrer neuen Freundin. Als Melissas Halbschwester und Hochzeitsplanerin war Laurel viel schlimmer dran als sie. Nicht nur, dass Laurel eine aufwendige fünftägige Hochzeit für die Reichen und Berühmten organisieren musste. Eloise würde Melissa nach dieser Hochzeit nie wiedersehen – Laurel hingegen schon.
Wohlgemerkt, Eloise war ziemlich sicher gewesen, dass Melissa ihr nie wieder Kummer bereiten würde, nachdem sie die Teenagerjahre überstanden hatte. Besonders als sich Melissa nach Hollywood aufmachte, um ein Star zu werden.
Bis Melissa in der ZeitschriftStar! ihre Verlobung mit dem berühmten Schauspieler Riley Black enthüllte und bekannt gab, sie wolle zu Hause in England heiraten: in Morwen Hall, dem luxuriösen neogotischen, zum Hotel umgewandelten Herrenhaus, in dem sie während ihrer Teenagerjahre als Zimmermädchen gearbeitet und Eloise das Leben zur Hölle gemacht hatte. Der letzte Teil stand nicht in der Zeitschrift, aber Eloise hatte nur daran denken können, als ihr Chef ihr den Artikel gezeigt hatte.
„Am Set kann sie unmöglich so schlimm sein.“ Eloise trat von einem Fuß auf den anderen, um sich warm zu halten. Sie würde ja wieder hineingehen, doch sie wusste, dass genau dann Melissa mit ihrem Verlobten und seinem noch berühmteren Trauzeugen Noah Cross auftauchen würde. So ein Pech war typisch für sie. Und als vorläufige Managerin von Morwen Hall war es ihre Aufgabe, die VIP-Gäste zu begrüßen. „Eine so gute Schauspielerin ist sie ja nun auch wieder nicht. Und man würde ihr nicht immer wieder Rollen in all den Blockbustern geben, wenn sie bei der Arbeit so nerven würde, wie sie es in letzter Zeit getan hat. Oder vor zehn Jahren in Morwen Hall, wo wir gerade dabei sind.“
Neugierig blickte Laurel sie an. „Wie war sie denn? Ich habe sie ja überhaupt erst kennengelernt, als sie sechzehn war, nachdem mein Vater … du weißt schon.“
Eloise wusste es. Sie vermutete, dass fast die ganze Welt die Geschichte kannte, wie Melissa Sommers von ihrer alleinstehenden Mutter großgezogen worden und ihr Vater nur zu Besuch gekommen war, wenn er von seiner Familie am anderen Ende der Stadt wegkonnte. Laurels Familie.
„So viel Zeit wie während der Hochzeitsvorbereitungen habe ich nie zuvor mit ihr verbracht.“
Zwar fügte Laurel nicht die Worte „zum Glück“ hinzu, aber Eloise konnte sie deutlich heraushören. „Sie war …“ Gemein. Böse. Ein Albtraum. „