Windräder und Aberglaube
Natürlich nahm Rico seinen Zusammenstoß mit dem Antifa-Kämpfer ernst, klar, schließlich ging es hier um sein Leben. Die Tante hieß Lady Death im Video. Und in ihrem Geigenkasten trug sie ein Gewehr mit Zielfernrohr. Irgendeiner seiner Leser hatte ihn darüber informiert, dass das Ding beileibe nicht irgendein nachgebautes Filmutensil sei, sondern ein echtes Scharfschützengewehr aus britischer Produktion der Firma Accuracy International.
Rico musste seine Nerven beruhigen. Er setzte sich auf ein Kissen vor die Verandatür zum Garten, richtete sein Kreuz auf und atmete langsam und tief in seine Bauchhöhle. Nichts denken, nur wahrnehmen. Alles vergeht. Gedanken sind wie Wolken am Himmel, die weiterziehen. Interesselos betrachten.
Einige Raben stolzierten über das Feld gegenüber. Dahinter das metallene Band der Ostsee. Atmen, ein und aus. Die Raben. Schwarze Unglückvögel. Der Typ an seinem Toyota. Er hatte Ricos Namen ins Handy gebrüllt. Mit wem telefonierte er?
Rico gab auf. Er musste reden. Peer und Silke kamen ihm in den Sinn, die im Nachbardorf wohnten. Er verließ die Wohnung, ging zu seinem BMW, der neben den anderen Autos unter dem Wellblechdach abgestellt war, und zog die große Runde im vorgeschriebenen Schritttempo durch die Siedlung, bis er am Ortsausgang wieder auf die Nordstraße einfädelte.
Graues Straßenband, kaum Verkehr, er hielt Ausschau. Hinter Tysby, die Ortschaften hier hatten dänische Namen, lag linker Hand die Wiese des Barons, in einer dunkelgrünen Senke, sie war nicht viel wert, weil sie unter Grundwasser stand, durch den Nebel zogen schwarze Schlieren, aus dem Sumpf schienen dunkle Gestalten zu steigen, die sich herrisch aufrichteten, Eichenstämme links und rechts, grau dieser Tag, ohne Konturen, überall im Grau diese schwarzen Schlieren, alles sah nach Unheil aus, der Himmel lastete schwer über den abgeernteten Feldern, eine verlassene Welt, in der nichts blieb als die eigenen Gedanken, die jetzt eher in ein finsteres Brüten übergingen.
Seit einiger Zeit befiel ihn eine eigenartige Stimmung, eine Abschiedsstimmung, er konnte es nicht anders nennen. Abschied von einer Welt, die einst in Ordnung war und nun ins Chaos rutschte. Verfehlungen in der Politik waren es nicht allein. Es war etwas Grundsätzlicheres ins Rutschen gekommen, die Seelen hatten Schaden genommen, eine dunkle Macht legte ihren Mantel über die Welt. Die Aussichtslosigkeit nahm zu. Seine Niedergeschlagenheit hatte nichts mit eigenen Todesahnungen zu tun, als gläubiger Katholik hoffte er ja darüber h