: Bernhard Kellermann
: Der 9. November Roman
: Theiss in der Verlag Herder GmbH
: 9783806246377
: 1
: CHF 20.60
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 368
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der erste Bestseller der jungen Weimarer Republik und ein einzigartiges Zeitdokument deutscher Geschichte Ein Kriegsroman, ein Antikriegsroman, eine Gesellschaftskritik und ein Großstadtroman - Bernhard Kellermann lieferte 1920 mit seinem Werk eine Abrechnung mit dem Kaiserreich und seinen straffen militärischen Strukturen. Eindringlich schildert er darin auch die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Gleichzeitig ist das Buch ein Plädoyer für mehr Nächstenliebe, Gewaltlosigkeit und Völkerverständigung. Der Roman war ein Bestseller seiner Zeit, bis das NS-Regime ihn verbot und verbrannte.  - Eindrucksvoller Gesellschaftsroman über eine zentrale Krisenzeit der deutschen Geschichte - Berliner Großstadtroman über den Zeitgeist der ersten Deutschen Republik und die Zukunftsträume dieser Jahre -  Ein Plädoyer für Humanität, Pazifismus und Völkerverständigung - Bestseller der jungen Weimarer Republik, der später vom NS-Regime verboten und verbrannt wurde - Für alle, die sich für historische Bücher, deutsche Geschichte und Romane über den Ersten Weltkrieg interessieren   Zwischen der brutalen Gegenwart des Ersten Weltkriegs und der Hoffnung auf eine menschlichere Zukunft Die wilhelminische Epoche endete mit der Abdankung Kaiser Wilhelms und dem Ende des 1. Weltkriegs. Sie war geprägt von militärischen Eliten, imperialistischem Denken, der Ablehnung des Sozialismus und der Verherrlichung einer konservativen-patriarchalen Gesinnung. Bernhard Kellermanns Roman ist ein Appell an die Menschlichkeit und durchdrungen von der Hoffnung auf ein Ende von Hass und Gewalt sowie auf die positive Kraft revolutionärer Umwälzungen. Die Leser:innen tauchen ein in eine Phase der deutschen Geschichte, in der alles möglich schien - auch bessere Zeiten.

Bernhard Kellermann (1879-1951) wurde zunächst mit Reiseberichten und impressionistischen Erzählwerken bekannt. 1912 erzielte er mit dem Zukunftsroman 'Der Tunnel' einen Welterfolg. 1920 folgte der pazifistische Revolutionsroman 'Der 9. November', der später von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg betätigte sich Kellermann in der Kulturpolitik der DDR und wurde Abgeordneter der Volkskammer. Ulrich Kittstein ist Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Mannheim. Für seine Habilitation wurde er 2006 mit dem Preis der Universität Mannheim für Sprache und Wissenschaft ausgezeichnet. Sein Arbeitsgebiet ist die deutsche Literatur vom 18. Jh. bis zur Gegenwart mit den Schwerpunkten Lyrik, historisches Erzählen, Friedrich Schiller, Eduard Mörike, Gottfried Keller und Bertolt Brecht.

Erstes Buch


1.


Einige Ordonnanzen, die die Treppe emporeilten, blieben plötzlich wie angewurzelt stehen, ein junger ordenglitzernder Hauptmann mit rosigen Wangen, eben im Begriff sich zu schneuzen, verbarg in äußerster Hast das Taschentuch, und nur einem Drillichkittel gelang es noch im letzten Augenblick, in die Portierloge zu entkommen: oben auf der Treppe leuchtete der hellrote Mantelaufschlag eines Generals.

Mit breitem Steingesicht, den Blick verborgen in den grauen Augenhöhlen, die massige Gestalt von schweren Gedanken eingehüllt, stieg der General v. Hecht-Babenberg langsam und ohne jede Eile die breite Granittreppe zum Foyer hinab. Die Augen der angewurzelten Ordonnanzen folgten ruckweise jedem seiner Schritte, der junge ordenglitzernde Hauptmann mit den rosigen Wangen erstarrte in seiner Verbeugung.

Der General nahm nicht die geringste Notiz von ihnen. Ganz Kälte, ganz Würde, ganz Sammlung schritt er zwischen ihnen hindurch. Seine Lackstiefel blitzten, und ein feiner Parfümgeruch blieb hinter ihm zurück.

In diesem Augenblick stürzte der Portier aus seiner Loge und überreichte dem General einen Brief.

»Soeben abgegeben, Euer Exzellenz!«

Zögernd trat der General unter die Bogenlampe, die aus der Decke des Foyers herabhing. Der Umschlag des Briefes, dünn, ein ungewöhnliches, giftiges Hellgrün, mißfiel, die Schrift. Er drehte den Brief mißtrauisch zwischen den Fingerspitzen. Ganz offenbar empfand er es als eine Verletzung der Achtung, die man seinem Range schuldete, ihm einen Brief von derart geschmackloser, ja unangenehmer Färbung zu senden. Die Stirn zuckte. Ohne Absender, eilt, persönlich –

Dann aber fuhr er entschlossen in den Pelz, unter den hellroten Aufschlag, und holte den goldenen Kneifer hervor. Eine feine Ziegelröte überzog langsam das breite Steingesicht, den Hals, der aus dem gestickten Kragen hervorquoll, das knorpelige, große Ohr – er faltete den Brief zusammen und schob ihn unwillig in die Manteltasche.

»Wer hat den Brief – ?«

»Ein Herr, ein älterer Mann – soeben – «, stammelte der Portier und schwankte bestürzt auf den dünnen Beinen.

Der Portier, ein alter Mann, Veteran von 1870, allerlei Münzen und Medaillen auf der Brust, kannte seine Leute. Schon an der Art, wie Exzellenz den Brief zwischen den Fingerspitzen drehte, hatte er erkannt, daß Exzellenz ungehalten waren. Aber dieser ältere Herr hatte solange auf ihn eingeredet – sein einziger Sohn – eine Audienz, hm – sogar eine Zigarre – und schließlich war es ja nur ein Brief, richtig adressiert, wie