Ich warf unauffällig einen Blick zur Kamera. Es war mein erster Tag als Reality-TV-Sternchen und obwohl ich es durchaus gewohnt war zu posieren, verkrampfte sich mein Gedärm. Das rote Lämpchen leuchtete, was bedeutete, dass die Aufnahme bereits lief. Also setzte ich mein strahlendstes Lächeln auf, auch wenn es schmerzte, und zwinkerte in die Kamera.
»Miss McGregor«, mahnte Paul Conniers, der Aufnahmeleiter vonShe flys with the wind, meiner neuen Show, und brach damit seine eigene Regel. »Sie sollen sich ganz natürlich verhalten. Tun Sie so, als wären wir nicht hier!«
Ich verbiss mir den Widerspruch, lächelte, nickte und ließ das Trio stehen, das aus einem Kameramann, dem Tontechniker und Paul bestand.
»Miss McGregor!«, rief Letzterer mir nach, was ich vorausgesehen hatte. Ich ignorierte ihn, schlüpfte durch die aufgehaltene Tür und sprach den Demichef de Rang an.
»Wir haben reserviert. Alabdil?«
Paul holte zu mir auf. Er griff nach meinem Ellbogen, nachdem ich dem Restaurantangestellten meinen Mantel überlassen hatte.
»Miss McGregor, Sie haben sich unseren Bedingungen anzupassen! Das hier ist keine YouTube-Spielerei mehr!«
Zugegeben, ich war es leid, wie ein Dummerchen behandelt zu werden. Nur weil ich mein halbes Leben lang als Püppchen Videos online stellte, war ich keine Idiotin. Genervt stellte ich mich der Konfrontation.
»Sie haben einen Vertrag unterschrieben!«
»Paul … ich darf doch Paul sagen?« Mein linker Mundwinkel zuckte, es wurde aber kein Grinsen. »Entweder ich verhalte mich, als ob Sie nicht da wären …«, ich deutete knapp auf die Techniker, die endlich aufgeschlossen hatten und Kamera und Mikrofon direkt auf mich richteten, »… oder ich achte darauf, dass Sie den Anschluss nicht verlieren.« Ich hob die Brauen. »Was soll es sein?«
Paul biss sich auf die Zunge, wobei er mich nicht aus den Augen ließ. Sicherlich überlegte er, wie er mich für meine freche Art bestrafen konnte. Ich kannte diesen Blick zur Genüge, schließlich war mein Stiefvater Sean Johnston doch ebenfalls Meister darin, nonverbale Drohungen auszusenden.
»Miss McGregor, Sie sollten Ihre Zunge hüten!«
»Das Konzept sieht das aber nicht vor, Paul. Laut meines Vertrages mit Ihrem Arbeitgeber der GAE soll mein Vlog eins zu eins auf das Fernsehen übertragen werden.«
Paul verkniff die ohnehin schmalen Lippen. Sein Blick war nun darauf ausgelegt, mich zu töten.
»Ma’am?«, sprach der Demichef de Rang mich an, da sich hinter der Kameracrew bereits eine Schlange bildete. »Mr Alabdil wartet bereits auf Sie.« Er deutete mit der behandschuhten Hand in den Saal, oder genauer in dessen Richtung, denn der Eingang wurde durch eine Wand von den Speisenden abgegrenzt.
»Bitte verzeihen Sie«, griff ich die Möglichkeit auf, Paul erneut zu brüskieren.
Ich wollte nicht hier sein. Nicht mit der Kamera, denn mein Date hielt ich für etwas Privates und es sollte auch so bleiben. Schön, ich hatte ihn auf meinem Vlog einige Male erwähnt, um die Abrufquoten zu erhöhen, was hervorragend funktioniert hatte, aber gesehen hatte ihn bisher niemand. Nicht einmal ich selbst kannte ihn persönlich, denn wir hatten bisher lediglich Fotos getauscht und via Voicemail kommuniziert.
Hafidh und ich führten eine Online-Romanze, die nun auf ihren Höhepunkt zusteuerte: der Übertragung in die Realität. Das machte mich gehörig nervös, weshalb ich noch streitsüchtiger reagierte als sonst. Allerdings nahm ich mich gewöhnlich für meinen Vlog zurück, um nicht negativ aufzufallen.
»Ich möchte Alabdil nicht länger warten lassen.«
Der Demichef de Rang führte mich persönlich zu meinem Tisch, von dem ein Mann in langem, weißem Kaftan aufstand. Verwirrt blieb ich stehen, denn er sah den Fotografien gar nicht ähnlich. Seine dunklen Augen durchbohrten mich ähnlich unfreundlich wie jene von Paul zuvor, der zumindest hübsche, blaue Iriden besaß.
Mein Stocken blieb sicherlich nicht unbemerkt, auch wenn ich meine Miene fest im Griff hatte und meine Missstimmung über die offensichtliche Lüge nicht abzulesen war. Ich hatte einen westlich gekleideten Mann erwartet, auch wenn ich wusste, dass ich mit einem Araber verabredet war, der die Staaten lediglich besuchte.
Ich spürte die Kamera in meinem Rücken, wusste, dass die Aufnahme lief und meine Reaktionen aufzeichnete. Also trat ich vor, ein Lächeln auf den Lippen, das gewöhnlich immer eine positive Reaktion in meinem Gegenüber hervorrief, und streckte die Hand aus.
»Hallo.«
Der ätzende Blick meines Gegenübers rutschte an mir herab und blieb an meinen Fingern hängen. Seine Worte waren unverständlich und klangen unglaublich rüde, dennoch behielt ich mein Lächeln bei, so schwer es mir nach dem vorhe