: Henryk Sienkiewicz
: Die Sintflut. Band II Historischer Roman in sechs Bänden
: apebook Verlag
: 9783961302826
: 1
: CHF 2.70
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
Die Reihe DIE SINTFLUT Die sechsbändige Reihe DIE SINTFLUT spielt vor dem blutigen Hintergrund der schwedischen Invasion in das polnisch-litauische Commonwealth in den Jahren 1655-1657. Der wilde junge polnische Soldat Andrzej Kmicic, der sich mit mörderischen Wüstlingen und Verschwendern umgibt, wird zum Verrat verleitet. Doch seine Liebe für die temperamentvolle Alexandra (Olenka) bringt ihn schließlich auf den richtigen Pfad und inspiriert ihn zu seiner zielstrebigen Mission: der Verteidigung seines Mutterlandes. DIE SINTFLUT ist eine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau, und auch eine Liebesgeschichte zwischen Männern und ihrem Land. Es ist auch eine Geschichte von Täuschung und Verrat und von Loyalitäten, die gehalten und gebrochen werden. Es ist eine meisterhafte Mischung aus Geschichte und Vorstellungskraft, die sowohl ganze Nationen als auch Einzelpersonen zeigt, die in erschütternde Ereignisse verwickelt sind und um ihr Leben kämpfen und sich selbst durch ihre eigenen Verpflichtungen wiederentdecken. Dieses ist der zweite von sechs Bänden. Der Umfang des zweiten Bandes entspricht ca. 300 Buchseiten. Die Reihe DAS ÖSTLICHE KÖNIGREICH Die sechsbändige Reihe DIE SINTFLUT ist die zweite eigenständige Sequenz der übergeordneten und insgesamt 13 (bzw. 17) Teile umfassenden Reihe DAS ÖSTLICHE KÖNIGREICH, die aus drei solcher eigenständigen Sequenzen besteht: MIT FEUER UND SCHWERT (4 Teile), DIE SINTFLUT (6 Teile) und RITTER WOLODYJOWSKI (3 Teile). Darüber hinaus kann die eigenständige vierteilige Reihe DIE KREUZRITTER, die im 14. und 15. Jahrhundert spielt, als chronologisches Prequel von DAS ÖSTLICHE KÖNIGREICH betrachtet werden. Insgesamt etwa 5.000 Seiten voller Abenteuer, Tragik, Liebe und Heldentum.

1. KAPITEL


 

Pan Zagloba hatte schon einen tüchtigen Rausch, als er dem schrecklichen Hetman dreimal das Wort »Verräter!« ins Gesicht schleuderte. Nach einer Stunde, als er etwas zu sich gekommen war, und er sich mit den beiden Skrzetuskis und Pan Michail im unterirdischen Gefängnis von Kiejdane befand, begriff er, welcher Gefahr er sein Leben ausgesetzt hatte. Und er begann sich stark zu beunruhigen.

»Und was wird jetzt?« fragte er den kleinen Ritter, auf den er im Augenblicke der Not große Hoffnungen setzte.

»Hol mich der Teufel! Mir ist alles gleich!« entgegnete Wolodyjowski.

»Wir werden solche Zeiten und solche Schmach erleben, wie sie die Welt bisher noch nicht gesehen hat!« sagte Jan Skrzetuski.

»Schön, wenn wir es nur erleben! ˗ So könnten wir als Beispiele der Tugend für viele andere gelten,« meinte Zagloba. »Ob wir es aber erleben, das ist noch die Frage.«

»Es ist schrecklich, kaum glaublich!« rief Stanislaus Skrzetuski aus. »Ist je so etwas mal vorgekommen? Alles fängt an, sich bei mir im Kopfe zu drehen. Rettet mich aus diesem Wirrsal. Zwei Kriege im Lande; der dritte gegen die Kosaken, und zu alledem wütet der Verrat im Lande wie eine Seuche. Das Ende der Welt bricht an; der jüngste Tag naht. Bei Gott, es ist, um den Verstand zu verlieren.«

Und seine Hände an den Kopf pressend, begann er auf und ab zu gehen, wie ein wildes Tier im Käfig.

»Sollten wir nicht lieber beten: Barmherziger Gott, rette uns!«

»Beruhigen Sie sich,« sagte Zagloba, »jetzt ist nicht der rechte Augenblick, um zu verzweifeln.«

Plötzlich knirschte Stanislaus Skrzetuski mit den Zähnen; ein Wutanfall packte ihn.

»Daß dich der Erdboden verschlucke,« schrie er, auf Zagloba losstürzend. »Das war dein Gedanke, zu dem Verräter zu gehen. Daß euch beide der Erdboden verschlucke!«

»Besinne dich,« Stanislaus,« sagte Jan kurz. »Was sich hier ereignete, konnte niemand voraussehen. Dulde still, ˗ du leidest ja nicht allein. ˗ Wisse, daß unser Platz hier ist, gerade hier. ˗ Barmherziger Gott, erbarme dich nicht unser, sondern des unglücklichen Landes!«

Alle schwiegen. Nur Pan Michail pfiff ruhig, als ob ihm alles gleichgültig wäre.

»Pfeifen Sie nicht, Pan Michail,« sagte Zagloba.

»Mir ist alles gleich.«

»Wieso denn? Will denn keiner von euch überlegen, ob es keinen Weg zur Rettung gibt? Ich dächte, der Mühe wäre es schon wert, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sollen wir denn in diesem Keller vermodern, während das Vaterland jeden tapferen Arm nötig hat, wo ein ehrlicher Mann auf zehn Verräter kommt?«

»Sie haben recht!« stimmte Jan Skrzetuski bei.

»Du allein bist vor Gram nicht dumm geworden. Was, meinst du, wird der Nichtsnutzige mit uns tun? Er wird uns doch nicht hinrichten?«

Wolodyjowski lachte höhnisch auf.

»Und warum denn nicht? Das wäre mir wirklich interessant zu erfahren. Ist denn nicht das Recht auf seiner Seite? Ihr scheint Radziwill nicht zu kennen!«

»Was sagen Sie da? Welches Recht ist auf seiner Seite?«

»Über mich ˗ das des Hetmans, ˗ über Sie ˗ das der Macht.«

»Für die er die Verantwortung zu tragen hätte.«

»Vor wem? Vor dem schwedischen Könige?

»Sie verstehen es wirklich gut, mich zu trösten; das muß man sagen.«

»Ich denke auch gar nicht daran, Sie zu trösten.«

Wieder schwiegen alle. Von draußen vernahmen sie die regelmäßigen Schritte der schottischen Infanteristen, die vor das Gefängnis postiert waren.

»So bleibt nichts anderes, als eine List anzuwenden,« sagte nach einiger Zeit Zagloba

Niemand antwortete ihm.

»Ich glaube nicht, daß er uns zum Tode verurteilen wird. Er muß die öffentliche Meinung wohl beachten und würde der ganzen Schlachta dadurch vor den Kopf stoßen. Wo steht eigentlich Ihr Banne