: B. Traven
: Das Totenschiff
: Diogenes
: 9783257613568
: 1
: CHF 29.00
:
: Hauptwerk vor 1945
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der amerikanische Seemann Gales verpasst in den Kneipen Antwerpens sein Schiff, auf dem sich sein einziges Identitätsdokument befindet, wird als Staatenloser über europäische Landesgrenzen abgeschoben und heuert schließlich in Barcelona auf dem Schiff ?Yorikke? mit illegaler Ladung und Besatzung und höllischen Arbeitsbedingungen an. Und es kommt noch schlimmer.

B. Traven (1882-1969), war bis 1915 unter dem Pseudonym Ret Marut als Schauspieler und Regisseur in Norddeutschland tätig. Es folgte der Umzug nach München, wo er 1917 die radikal-anarchistische Zeitschrift ?Der Ziegelbrenner? gründete und sich an der bayerischen Räteregierung beteiligte, die 1919 gestürzt wurde. Es gibt heute Hinweise, dass er der uneheliche Sohn des AEG-Gru¨nders Emil Rathenau und damit der Halbbruder von Walther Rathenau war, der 1922 als deutscher Außenminister ermordet wurde. Nach seiner Flucht nach Mexiko 1924 schrieb er unter dem Namen B. Traven 12 Bücher (darunter sein wohl bekanntester Roman ?Das Totenschiff?) und zahlreiche Erzählungen, die in Deutschland Bestseller waren und in mehr als 40 Sprachen veröffentlicht und weltweit über 30 Millionen Mal verkauft wurden. Viele davon wurden verfilmt, so ?Der Schatz der Sierra Madre? (Hollywood 1948), ?Das Totenschiff? (Deutschland 1959) und ?Macario? (Mexiko 1960). 1951 wurde er mexikanischer Staatsbürger, heiratete 1957 Rosa Elena Luján, seine Übersetzerin und Agentin, und starb am 26. März 1969 in Mexiko-Stadt.

Ich setzte mich auf eine große Kiste, die da lag, und folgte der Tuscaloosa auf ihrem Wege über das Meer. Ich hoff‌te und wünschte, dass sie auf einen Felsen aufrennen möchte und so gezwungen wäre, zurückzukommen oder wenigstens die Mannschaft auszubooten und zurückzuschicken. Aber sie ging den Felsenriffen schön aus dem Wege, denn ich sah sie nicht zurückkommen. Jedenfalls wünschte ich ihr von Herzen alle Unglücksfälle und Schiffbrüche, die einem Schiffe nur begegnen können. Was ich mir aber am deutlichsten ausmalte, das war, dass sie Seeräubern in die Hände fiele, die das ganze Schiff von oben bis unten ausplündern und dem Biest Bob die ganzen Sachen wieder abnehmen würden, die er sich ja nun inzwischen wohl angeeignet haben wird, und dass sie ihm eins so mächtig auf seine grinsende Fratze hauten, dass ihm sein Grinsen und Sticheln für sein ganzes Leben verginge. Gerade als ich mich anschickte, ein wenig einzudröseln und von jenem hübschen Mädchen zu träumen, klopf‌te mir jemand auf die Schulter und weckte mich auf. Er begann sofort so rasend schnell auf mich einzureden, dass mir ganz schwindlig wurde.

Ich wurde wütend und sagte ärgerlich: »Oh rats, lassen Sie mich in Ruh; ich mag Ihr Gequassel nicht. Außerdem verstehe ich nicht ein einziges Wort von Ihrem Geklatter. Scheren Sie sich zum Teufel!«

»Sie sind Engländer, nicht wahr?«, fragte er nun in Englisch.

»No, Yank.«

»Aha, also Amerikaner.«

»Yes, und nun lassen Sie mich ungeschoren, und machen Sie, dass Sie fortkommen. Ich will mit Ihnen nichts zu tun haben.«

»Aber ich mit Ihnen, ich bin von der Polizei.«

»Da haben Sie aber Glück, lieber Freund, guter Posten«, sagte ich darauf. »Was ist denn los? Geht es Ihnen dreckig, oder was haben Sie sonst für Sorgen?«

»Seemann?«, fragte er weiter.

»Yes, old man. Haben Sie vielleicht einen Posten für mich?«

»Von welchem Schiff?«

»Tuscaloosa von New Orleans.«

»Ist rausgegangen um drei Uhr morgens.«

»Ich brauche Sie nicht, damit mir das erzählt wird. Dieser Witz ist schon sehr alt und stinkt bereits straßenweit.«

»Wo haben Sie Ihre Papiere?«

»Was für Papiere?«

»Ihre Seemannskarte.«

Ei, Schokoladencreme mit Appelsoße! Meine Seemannskarte? Die steckte in meiner Jacke, und die Jacke war in meinem Kleidersack, und mein Kleidersack lag mollig unter meiner Bunk in der Tuscaloosa, und die Tuscaloosa war – ja, wo konnte sie jetzt sein? Wenn ich nur wüsste, was sie heute für Breakfast bekommen haben! Den Speck hat der Schwarze sicher wieder anbrennen lassen, na, ich will ihm mal etwas erzählen, wenn ich die Galley streichen komme.

»Ihre Seemannskarte! Verstehen doch, was ich meine?«

»Meine Seemannskarte. Wenn Sie die meinen sollten, nämlich meine Seemannskarte. Da muss ich Ihnen doch die Wahrheit gestehen. Ich habe keine Seemannskarte.«

»Keine Seemannskarte?« Das hätte man hören müssen, in welch einem entgeisterten Ton er das sagte. Ungefähr so, als ob er sagen wollte: »Was, Sie glauben nicht, dass es Meerwasser gibt?«

Ihm war das unfassbar, dass ich keine Seemannskarte hatte. Er fragte es zum dritten Male. Aber während er es diesmal fragte, offenbar rein mechanisc