1. KAPITEL
Im dezenten Luxus des Büros über Parks Fine Jewelry, dem Konkurrenten von Tiffany’s, New York, an der Westküste, läutete das Telefon. Es war die private Direktleitung.
Walter Parks nahm den Hörer ab. „Ja?“, meldete er sich, bevor er kurz zuhörte und eine Frage stellte. „Sind Sie sicher?“
Der Anrufer bejahte.
„Schicken Sie mir eine Kopie des Totenscheins“, befahl Walter dem Privatdetektiv. „Nein, nicht hierher“, fügte er ärgerlich hinzu, als hätte der Mann es wissen müssen. „An mein Postfach.“
In fünfundzwanzig Jahren hatte er gelernt, seine Spuren zu verwischen. Das Fach gehörte zu einem privaten Postservice zwei Türen weiter. Niemand in seiner Familie wusste davon. Aber in seiner Familie wusste niemand viel von den Dingen, die Walter lieber für sich behalten wollte.
Er legte auf, ging ans Fenster und schaute in den Dezemberregen hinaus, der unaufhörlich vom grauen Himmel fiel. Der einzige Ort, der so kalt und trübe war wie San Francisco im Winter, war San Francisco im Sommer, wenn der Küstennebel die Stadt einhüllte.
Also war Marla tot. Das wurde auch Zeit. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er sich ihretwegen Sorgen machen müssen, hatte er wegen ihr und ihrer Gören manchmal sogar ein schlechtes Gewissen gehabt. Damit war jetzt Schluss.
Wie sein alter Herr, der so arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus gewesen war, oft gesagt hatte – das Leben war, was es war, und ein Mann musste sein Schicksal in die Hand nehmen.
Das stimmte. Die Glücksgötter lächelten jenen zu, die eine Gelegenheit ergriffen, sobald sie sich ergab. Ein langsamer Mann war ein Verlierer. Walter war schnell.
Er atmete tief durch und versuchte zu fühlen, wie die Last von seinen Schultern wich. Aber das geschah nicht. Er verzog das Gesicht. Und wenn schon. Die letzte Verbindung zu seiner Vergangenheit, zum gefährlichen Teil jedenfalls, war gekappt.
Er legte eine Hand an die Brust. Sodbrennen. Er sollte gesünder leben, das wusste er. Und kein Alkohol, höchstens ein Paar Gläser Wein. Die waren gut für die alte Pumpe, behaupteten die Ärzte.
Der Regen, der gegen die Scheibe prasselte, ließ ihn frösteln. Er rieb sich den Nacken und zuckte zusammen, als das Telefon wieder läutete. Er warf einen Blick auf den Apparat. Es war die Büroleitung.
„Parks.“
Der Anrufer war sein ältester Sohn, der die Firma eines Tages übernehmen sollte. Der Stolz verbesserte seine Stimmung. Er und Anna hatten eine feine Nachkommenschaft produziert.
Cade war der Beste – klug, attraktiv, mit kühlem Kopf. Walter hatte den Jungen bei sich im Büro haben wollen, aber Cade war nicht an Diamanten und Schmuck und dem weltweiten Handel damit interessiert gewesen. Ihn hatte das Recht fasziniert. Walter hatte zugeben müssen, dass ein Anwalt in der Familie keine schlechte Sache war.
Jetzt arbeitete der Junge in einer angesehenen Kanzlei – wofür Walter persönlich gesorgt hatte – und kümmerte sich um die Verträge und Steuern der Firma. Mit neunundzwanzig kannte Cade jeden Aspekt des Diamantengeschäfts und war durchaus fähig, seine Nachfolge anzutreten. Und genau das würde er tun, denn sein Pflichtgefühl ließ nichts anderes zu.
„Cade, treffen wir uns zum Lunch?“, fragte Walter jovial. „In einer halben Stunde imTop o’ the Mark ?“
„Einverstanden. Ich habe die Informationen, die du über König Abbar und seinen Sohn Prinz Lazhar von Daniz haben wolltest. Der König ist krank, und der Sohn regiert praktisch allein. Soll ich die Mappe mitbringen?“
„Ja.“
Lächelnd legte Walter auf. Daniz war eines jener winzigen Länder, von denen die meisten Leute noch nie etwas gehört hatten. Was nur bewies, wie dumm die meisten Leute waren. Denn Daniz’ Diamanten gehörten zu den wertvollsten der Welt. Erst seit Kurzem produzierten die Minen champagnerfarbene Steine, die zum Glück unter den Schönen und Reichen der Welt äußerst begehrt waren. Ein gutes Geschäft mit dem Herrscher konnte für sie beide höchst einträglich sein.
Zwei gute Nachrichten an einem Tag. Besser konnte man ein neues Jahr nicht beginnen. Die Götter lächelten wirklich auf ihn herab, auch wenn der Himmel es nicht tat. Er rief seine Sekretärin an, bestellte den Wagen und nahm den Regen kaum noch wahr, als er zum Lunch aufbrach.
Sara Carlton fröstelte, als ein Windstoß sie traf. Jemand sollte dem Wetterdienst sagen, dass der Winter sechs Monate her und es inzwischen Juni, nicht Januar war.
Sie zog die Jacke fester um die Schultern und starrte auf das elegante Haus, das inmitten eines ganzen Blocks ebenso teurer Bauten im georgianischen Stil stand.
Da sie vor ihrem Umzug von Denver nach San Francisco ihre Hausaufgaben gemacht hatte, wusste sie, dass eine Vorschullehrerin wie sie sich die Miete in einem so feinen Viertel wie St. Francis Woods niemals leisten konnte. Zum Glück brauchte sie das auch nicht.
„Ist es nicht hübsch?“, meinte Rachel Hanson.
Rachel war eine Kollegin in Lakeside, der angesehenen Privatschule, die nur drei Querstraßen entfernt lag. Ab Montag würde auch Sara dort unterrichten. Außerdem war Rachel die ältere Schwester von Saras bester Freundin aus ihren Highschool-Tagen in Denver. Sie hatte Sara sofort unter ihre Fittiche genommen, als Sara sich im Januar nach einer Stelle als Lehrerin erkundigt hatte.
Mit vierunddreißig war Rachel fünf Jahre älter als Sara. Sie hatte das College a