Elyhan seufzte schwer und warf seinen Leinensack über die Schulter.
Fast sein ganzes Leben hatte er in täglicher Konkurrenz mit Ranver auf der Straße gelebt, mit ihm um jedes Stück Fleisch gekämpft wie ein Hund, doch irgendwie vermisste er den aschblonden, arroganten Drecksack.
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Vier Tage war es nun her, dass der Togh ihm, trotz seiner anfänglichen Bedenken, den Pfad des Okhai Kriegers, als Alternative zu ihrem Dasein angeboten hatte. Niemals hätte er sich erträumen lassen, einem so hohen Orden anzugehören, also schwor er sich, sein Bestes zu geben.
Sein Clan war versorgt, die verlassenen Bauernhöfe am Inselrand waren noch gut in Schuss. Unter Perkos und Eirins Anleitung würden die Jungen und Mädchen bald alles restauriert haben und die Felder nutzen können. Der Meister hatte die Gruppe mit Vorräten aus der Burg versorgt, Medikamenten, Essen und sogar einige Nutztiere ließ er für sie herbeischaffen. Elyhan war glücklich, seine große Familie endlich in sicherer Umgebung zu wissen.
Die Insel hatte nur zwei Boote, das Wasser war tief und die Küsten nebelverhangen, was zusätzlichen Schutz gegen unerwünschten Besuch bot. Drei Tagesritte hatte es gedauert, bis sie an die Grenzen des Nordlandes kamen, in deren dichten Wäldern, an einem Fluss, der zum Meer führte, versteckt der Steg mit den Booten lag.
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Geleitet durch seinen neuen Meister, stieg Elyhan nun langsam die breite Treppe hinunter und erreichte den imposanten Innenhof, welcher mit verschiedensten Trainingseinheiten versehen war. Als er die glatten, beinahe durchgängigen Steinböden erblickte, schluckte er schwer. Natürlich gab er es nicht zu, doch es war etwas anderes, auf Gras oder einem staubigen Lehmboden zu landen, als gegen solch unnachgiebige Steine geschleudert zu werden.
Gleichzeitig stützte er sich selbst, denn wenn andere Novizen es vor ihm hier ausgehalten hatten, würde auch er es schaffen. Der Pfad des Okhai war einer derjenigen, die am meisten Selbstdisziplin forderten, so hörte man. Der Meister war nicht allgegenwärtig, man musste selbst aus seinen Fehlern lernen, sich selbst voranbringen und das war das Schwierigste von allem. Als hätte er seine Gedanken gehört, drehte sich der alte Ayur von Morch zu seinem neuen Lehrling um.
„Früher gab es hier viele Meister und noch mehr Schüler, doch die Zeiten sind hart und unsere Zunft stirbt aus. Ich bin einer der letzten Togh Okhai im Norden. Die anderen wurden alle in die Wälder Gaweons gerufen, um den Grenzgängern im Kampf gegen die Elfenbeizustehen.“
Seine Stimmlage hatte etwas sarkastisches, der alte Mann senkte nachdenklich den Kopf, dann schüttelte er selbigen und fuhr fort: „Seht Euch in Ruhe um, Euer Zimmer liegt im Turm, für heute könnt Ihr Euch ausruhen.“
Damit drehte er sich um, nahm sein Pferd und führte es in den Stall. Elyhan blickte nach oben und verschränkte die Arme. „Man gewöhnt sich sicher daran…“, flüsterte er wie zu sich selbst und fügte an: „… aber zu zweit wäre es hier garantiert nicht so öde.“
So groß und stark er auch war, er fühlte sich schnell einsam, wenn ihm keiner seiner Freunde Gesellschaft leistete. Schließlich atmete er einmal tief durch, drehte sich auf dem Absatz um und ging über die Hoftreppe auf die Mauer, um die Größe der Burg zu ermitteln.
Die vielen Löcher ließen ihn stutzen. „Die hat auf jeden Fall schon einmal bessere Zeiten gesehen“, schnaufte er, als er sie einmal umrundet hatte.
Der Wind wehte erfrischend auf. Elyhan lächelte, als er die anderen in der Ferne auf den Höfen sah und strich sich eine seiner widerspenstigen Strähnen aus dem Gesicht.
„Wenigstens sind sie in der Nähe …“, seufzte der junge Okhai, dann schritt er nach unten durch die Gänge und erkundete die übrigen Zimmer im Erdgeschoss.
Viele waren durch die verfallenen Wände beschädigt, dicke Wurzeln hatten sich über Jahre hinweg einen